Köterrasse, Drecksdeutsche – Warum man die Deutschen nicht verhetzen kann
Volksverhetzung scheint ein immer beliebterer Volkssport zu werden. Nur wenn die Deutschen „verhetzt“ werden, wird das nicht bestraft. Wie kommt‘s?
Es kommt immer wieder vor, dass einzelne Deutsche zum Beispiel von Migranten – die möglicherweise selbst bereits deutsche Staatsbürger sind – als „Scheiß-oder Drecksdeutsche“ beschimpft werden.
Und es kommt auch immer wieder vor, dass dann die Frage gestellt wird, ob der schlimme Schimpfer sich dadurch nicht wegen Volksverhetzung strafbar gemacht hat.
Klingt ja auf den ersten Blick auch ganz nachvollziehbar , Volk = Deutsch , Verhetzung = Scheiß . Aber nicht alles, was auf den ersten Blick einleuchtend erscheint, hält einem zweiten Blick stand.
Beleidigung
Es kann keinen ernsthaften Zweifel daran geben, dass die Bezeichnung „Scheiß-Deutscher“ eine strafbare Beleidigung ist, denn mit dieser Bezeichnung erklärt der Schimpfer seine deutliche Missachtung dem Beschimpften und seiner Nationalität gegenüber. Es ist also eine Straftat, die auch auf Antrag verfolgt werden kann. Der Antrag muss innerhalb von 3 Monaten ab Kenntnis der Beleidigung gestellt werden, sonst gibt es nichts mehr mit der Strafverfolgung. Bei einer Verurteilung drohen immerhin bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe. Das ist ja schon mal was, aber manchem nicht genug.
Aber, für eine strafbare Volksverhetzung, für die es eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren geben kann, muss es dann doch noch deutlich mehr dazu kommen.
Die Volksverhetzung ist gemäß § 130 StGB strafbar.
Tatbestand
Die Beschimpfung „Scheiss-Deutsche“ als Volksverhetzung könnte allenfalls theoretisch im § 130 Abs. 1 StGB untergebracht werden, wo es heißt,
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorgezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
letztlich scheitert das aber – und zwar aktuell völlig zu Recht.
Öffentlicher Friede
Dass der öffentliche Frieden gestört werden könnte, wenn in einer verbalen Auseinandersetzung zwischen einzelnen Personen von „Scheiß-Deutschen“ die Rede ist, ist kaum zu erwarten.
Der öffentliche Friede bezeichnet sowohl einen objektiv feststellbaren Lebenszustand allgemeiner Rechtssicherheit und des frei von Furcht voreinander verlaufenden Zusammenlebens der Staatsbürger als auch das Vertrauen der Bevölkerung, in Ruhe und Frieden leben zu können“( LK § 130 StGB Rn.3 ) .
Beides ist erkennbar nicht dadurch gefährdet, dass ein einzelner oder ein paar Deutsche mit dem Zusatz „Scheiß“ tituliert werden.
Die Menschenwürde des Beschimpften wird durch diese Beleidigung ebenfalls nicht angegriffen, da alleine eine beleidigende Beschimpfung dem Beschimpften weder die Daseinsberechtigung abspricht noch zu seiner Vernichtung aufruft.
Meinungsfreiheit
Das mag zunächst für juristische Laien etwas merkwürdig erscheinen, es hat aber einen tieferen Sinn, der aus dem Grundrecht der Meinungs(äußerungs)freiheit entspringt.
Die Vorschrift des § 130 StGB, also die Strafbarkeit der Volksverhetzung, ist alles andere als unumstritten, da sie – über die normale Beleidigung hinaus – eine erhebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit bedeutet. Es gibt in der juristischen Literatur schon immer reichlich ernst zu nehmende Stimmen, die die Vorschrift insgesamt für verfassungswidrig halten. Das BVerfG sieht das bisher anders, betont aber, dass die Vorschrift stets vor dem Hintergrund des Grundrechts der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG äußerst einschränkend auszulegen ist.
Die in Artikel 5 GG geschützte Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht, das garantieren soll, dass die öffentliche Meinungsbildung nicht staatlich beeinträchtigt oder sogar verboten wird. Das damit gleichzeitig verbundene Verbot der Zensur soll die Meinungs- und Informationskontrolle durch staatliche Stellen verhindern .
Zensurverbot
Dem Staat ist eine vorbeugende Informationskontrolle durch Zensur grundsätzlich verboten. Zur Meinungsfreiheit gehört damit auch die Verbreitung von absolutem Blödsinn. Das Verbot der Holocaustleugnung – ein menschenverachtender, wahrheitswidriger Meinungsdreck – ist insoweit eigentlich systemwidrig, wird aber vom Verfassungsgericht vor dem Hintergrund der unrühmlichen deutschen Geschichte als verfassungsgemäß akzeptiert. Das mag sich irgendwann auch noch ändern. Deutlich muss jedenfalls sein, es geht bei der Strafbarkeit der Volksverhetzung nicht darum unsinnige, idiotische oder „nur“ beleidigende Äußerungen mit hohen Strafen zu sanktionieren, sondern nur eine drohende Störung des öffentlichen Friedens zu verhindern bzw. im Nachhinein zu bestrafen.
Gruppen und Teile der Bevölkerung
Die 1. Alternative von § 130 StGB schützt eine „Gruppe“, das sind durch gemeinsame Eigenschaften subjektiv verbundene Menschen, die 2. Alternative „Teile der Bevölkerung“, was sich durchaus überschneiden kann. Das sind alle inländischen Personenmehrheiten, die sich aufgrund gemeinsamer äußerer oder innerer Merkmale von gewisser Dauer – Rasse, Volkszugehörigkeit, Religion, politische oder weltanschauliche Überzeugung, soziale und wirtschaftliche Verhältnisse, Beruf, bestimmte soziale Funktionen – als eine von der übrigen Bevölkerung unterscheidbare Bevölkerungsgruppe darstellen und die zahlenmäßig nicht mehr überschaubar sind. (Satzger / Schluckebier / Widmaier: StGB – Strafgesetzbuch Kommentar, 3. Auflage 2016 Rn. 10)
Aber zurück zur Volksverhetzung für „Scheiß-Deutsche“:
Die Deutschen selbst scheiden als mögliches Objekt der Volksverhetzung schon einmal deshalb aus, weil sie nicht Teil der Bevölkerung sind, sondern die Bevölkerung selbst, jedenfalls deren weit größter Teil und nicht eine kleinere Gruppe. So sieht das jedenfalls schon immer die Mehrheit der juristischen Kommentatoren und Gerichte. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob auch die Mehrheit – also die Deutschen – verhetzt werden kann, bisher nach meiner Kenntnis noch nicht entschieden.
Als die Deutschen in Hamburg von einem Deutschtürken als Köterrasse und Hundeclan bezeichnet wurden, stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren folgerichtig mit dieser Begründung wieder ein.
Man könnte es so ausdrücken : Was stört es die deutsche Eiche, wenn sich das dumme Schwein an ihr scheuert – aber das lasse ich mal besser, was weiß ich denn, wer sonst meint, ich hätte ihn persönlich mit dem Schwein gemeint.
Wenn es bei der Volksverhetzung allerdings tatsächlich nur um die Aufrechterhaltung des öffentlichen Friedens geht, kann eine Hass schürende Äußerung gegen „die Deutschen“ meiner Meinung nach genau so schädlich sein, wie eine gegen Türken, Juden, Schwarze oder andere Menschengruppen. Wenn jemand die Deutschen z.B. pauschal als Nazis bezeichnet und damit gegen alle Deutschen hetzt. , ist das nach dem aktuellen Tatbestand straffrei, auch wenn es den öffentlichen Frieden erheblich stören könnte. Warum eigentlich? Vielleicht sollte man da noch einmal nachdenken, ob der kategorische Ausschluss der Mehrheit der Bevölkerung vom Schutz des § 130 StGB tatsächlich so clever ist, wie man bisher gedacht hat. Warum sollte es nicht als Volksverhetzung strafbar sein, wenn ein islamistischer Hassprediger zum Dschihad gegen „die Deutschen“ aufriefe? Die Überarbeitung des §130 könnte den öffentlichen Frieden erheblich befördern. So lange Hassprediger wissen, dass sie „die Deutschen“ ungestraft verächtlich machen dürfen, werden sie keine Hemmungen entwickeln, dies auch zu tun. Das Nachdenken darüber zu verweigern, weil es bisher nur die AfD war, die eine solche Ausweitung des Tatbestandes gefordert hat, ist eher dumm. Warum Populisten dieses Feld überlassen?
Nun, bisher gibt der Tatbestand das eben nicht her.
Als „Teile der Bevölkerung“ wurden in der nahezu unüberschaubaren Rechtsprechung (Quelle: Leipziger Kommentar zu § 130 Rn 31) folgende Gruppen anerkannt:
Katholiken, Protestanten, Juden; alle in der Bundesrepublik lebenden Ausländer; Aussiedler; Asylanten und Asylbewerber, auch solche ohne Anspruch auf Asyl; die in Deutschland lebenden Gastarbeiter oder bestimmte Gastarbeitergruppen; die vergleichbare Gruppe der Gaststudenten; die in der Bundesrepublik lebenden Menschen anderer Hautfarbe; die Sinti und Roma; nach wirtschaftlichen, beruflichen und sozialen Gesichtspunkten bestimmte Gruppen wie Arbeiter, Bauern, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Kapitalisten, Besitzlose; Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger; Flüchtlingsgruppen; Kommunisten wegen ihrer gemeinsamen weltanschaulichen, politisch-ideologischen Grundüberzeugung; Punker; staatliche Funktionsträger wie Beamte, bestimmte Beamtengruppen, Richter, Staatsanwälte, Beamte der Schutz- und Kriminalpolizei; Soldaten der Bundeswehr; politische und weltanschauliche Gruppen, z.B. Freimaurer; landsmannschaftliche Gruppen wie Bayern, Schwaben, Einheimische oder Vertriebene; Behinderte. Katholiken, Juden, Muslime u.s.w. – nur eben nicht die Deutschen als Gesamtheit.
Das gilt z.B. für nicht näher spezifizierte Sammelbegriffe wie »Rote«,»Braune«, »Linke« oder »Antifa«. Tod den Antifanten finde ich genauso bedrohlich, wie Tod den Juden, Mag sein, dass dem gesamten Tatbestand eine Generalüberholung gut täte.
Grundsätzlich kommt auch eine einzelne Person als mögliches Angriffsobjekt in Betracht, wenn diese Person eben wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder einem Bevölkerungsteil angegriffen wird. Halbneger wäre da ein schönes Beispiel. Strafbar ist allein die Hetze, die auf die durch diesen Einzelnen verkörperte Personenmehrheit abzielt.
Die bloße Beleidigung als „Scheiß-oder Drecksdeutsche“ ohne weitere Zusätze stellt auch keine Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen dar, sie bleibt eine einfache Beleidigung und damit zwar gegenüber einem Einzelnen geäußert strafbar, ist aber keine Volksverhetzung. Da öffentliche Hetze und menschenverachtende Äußerungen immer häufiger vorkommen, wäre eine allgemeine Diskussion über Sinn und Unsinn, Reichweite und Schutzzweck des §130 StGB aus meiner Sicht wünschenswert. Es wird allerdings nicht einfach sein, die Meinungsfreiheit vollständig zu erhalten und gleichzeitig die Hetzerei einzudämmen. Einen Versuch ist es allemal wert.