Die Psyche der AfD

Woher kommt bloß dieser Hass?

Nach den Wahlerfolgen der AfD schütteln unsere Politiker noch immer hilflos die Köpfe und das geneigte Publikum erschrickt düpiert ob des unerhörten „Grundsatzprogramms“ dieser Partei. Und alle fragen sich, woher diese Skrupellosigkeit, Bosheit und der Hass kommen. Wolfgang Brosche nennt die Wurzeln des Hasses.


In der Fußgängerzone.

Weihnachtsmarkt. Menscheneinkaufsströme. Eine junge Mutter, vielleicht 20, keift ihr ängstlich, panisch schreiendes Kind, kaum zwei, im Kinderwagen an, baut sich vor ihm auf: „Wenn Du nicht aufhörst zu schreien, dann erlebst du was!“ und holt mit dem Arm aus zum Schlag. Die Ströme strömen teilnahmslos. Ich stelle mich dazwischen. Die Mutter keift mir ins Gesicht und spuckt vor Zorn und Wut: „Das ist mein Kind, ich schlage es wann ich will!“

„Nein“, sag´ ich, wehre ihren ausholenden Arm mit dem meinen ab und berühre sie dabei. Da kräht sie hysterisch vor Angst, schrill und bedroht – ganz andere Töne als die wütenden eben. So als würde ein geiler Bock nach ihr greifen… fast bricht sie zusammen, aber nicht weil das Kind sie überfordert. Für die Dauer eines Blitzes hat sie sich erinnert, dass sie selbst einmal so hilflos ausgeliefert war wie ihr eigenes Kind. Aber es ist nur der Mosaiksplitter eines alten und größeren Bildes, der ihr schnell entfällt und im Nu funkelt sie ihr Kind wieder bösartig an.

Wir sind einer sträflichen Illusion erlegen…

…nämlich der, daß es mit unserem bräsigen Wohlstand auf Kosten anderer immer so weiter ginge. Wir haben tatsächlich an das vom völlig inkompetenten (oder bloß besoffenen Neocon) Francis Fukuyama prophezeihte „Ende der Geschichte“ geglaubt und dachten, mit dem Ende des Ostblocks verheiße zugleich den allgegenwärtige Kapitalismus Reichtum und Demokratie für jedermann.

Daß Kapitalismus keineswegs die Demokratie benötigt und Reichtum nur dann befriedigend ist, wenn er auf dem Rücken vieler zum Wohle weniger etabliert wird, hätten wir eigentlich bereits vor 25 Jahren wissen müssen – der kapitalistische Reichtum für alle ist unmöglich. Reich ist man nur, wenn andere weniger haben!

Nun drängen Arme und Verfolgte ins reiche Europa – und wir reagieren auf die als Bedrohung empfundenen Flüchtlinge und das Zerbrechen der verlogenen Idylle wie eh und je – autoritär: mit Grenzen und Verboten.

Das vor ein paar Tagen geleakte Grundsatzprogramm der AfD besteht nur aus Ablehnung, Verboten, Druck, aus Bigotterie und totalitären Träumen.  Die träumen ja nicht nur die AfD-Mitglieder, sondern vor allem die Wähler. Nein, ich glaube nicht daran, was jetzt wieder tröstend geplappert wird: hätten sie das Programm gelesen, dann hätten sie die AfD nicht gewählt. Nein, die Wähler brauchten auch dieses Machwerk aus Manchesterkapitalismus und Spießertum nicht zu lesen – denn die AfD ist die Gestalt gewordene Sehnsucht derer, die mit den politischen, wirtschaftlichen, technisch-wissenschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen der Moderne nicht zurecht kommen wollen.

Zugegeben, Globalisierung, Neoliberalismus, Öko-Katastrophen etc. setzen den Nerven ganz schön zu, aber all die Bedrohungen und Probleme auf die Flüchtlinge zu schieben oder andere Gruppen, die von der gesellschaftlichen Liberalisierung seit 1968 wenigstens ein bißchen profitiert haben, ist zutiefst ignorant. Doch diesem Verhalten liegt ein uraltes, typisches Muster zugrunde.

In der Tat: es gibt eben große Bevölkerungskreise, die intellektuell und emotional nicht Schritt halten können mit der liberalen Moderne weil sie schlicht nicht die geistigen Fähigkeiten dazu haben oder aus Dummheit oder mangelndem Mitgefühl nicht willens sind, sich damit zu befassen. Aus ihnen vor allem rekrutiert sich das Heer der Reaktionäre in den neofaschistischen Bewegungen Europas.

Sie sind nicht in der Lage, Lösungen zu entwerfen, die die Herausforderungen der Gegenwart aufnehmen und gestalten könnten. Sie sind nur fähig die längst als ungeeignet erkannten Mittel der Vergangenheit zu repetieren: Grenzen, Aussperren, Repression in jeder Gestalt. Es sind autoritäre Mittel, gleichsam elterliche Mittel… die Mittel also, die Eltern anwenden, wenn sie merken, daß ihr Kind anfängt eigenständig zu denken und zu handeln: Verbote, Strafen, physische und psychische Grausamkeiten – oder einfach die Verweigerung der Diskussion, das Basta!

Die Sehnsucht, die Gier nach einem herbei phantasierten ewigen Ideal der Kleinbürgerlichkeit also des Kleinkindlichen, kaum des Laufens mächtig, geschweige denn der Welterfahrung, diese Sehnsucht alles unter sich gehen zu lassen, um der aufgeklärten Selbstbestimmung zu entgehen,  nennen die Rattenfänger der AfD, der PEGIDA oder anderer neorechter Bewegungen tarnend „konservativ“ – sie tun so, als könnten und wollten sie erhalten, was immer im Fluss ist. Sie behaupten sie müßten und könnten etwas angeblich Bewährtes bewahren mit Hilfe der Unterdrückung des Anderen und Neuen. Das klingt nach einem evolutionären Impetus – einem (bewußt) falsch verstandenen. Denn wenn sich etwas bewährt hat, dann bleibt es in der (auch gesellschaftlichen) Evolution bestehen. So lange bis neue Anforderungen Veränderungen verlangen.

Vielleicht läßt sich dieser Bestand für eine Weile durch die „konservativen“ Maßnahmen, die ja in Wahrheit reaktionär sind, halten; aber so wie der Wagenburg-Belagerung (als die man jetzt den Ansturm der Flüchtlinge wahrnimmt) nicht ewig getrotzt werden kann, wird die Reaktion zwangsläufig an sich selbst scheitern. Dann mag humanes tabula rasa herrschen – doch die Kakerlaken werden sich ungestört weiterentwickeln.

Daß dieser Primitivdarwinismus (dieses Mißtrauen gegenüber der Menschlichkeit, wie wir es augenblicklich in Europa erleben, gefeiert von Beatrix von Storch, Frauke Petry oder Marine LePen)  nicht nur mörderisch nach draußen wirkt, sondern auch nach innen, wird verdrängt. Die Politik des Denunzierens, Verachtens, Aussperrens wirkt ja nicht nur nach außen, sie ist konstituierend für die Diktatur. Auch im Inneren muß ein strenges Regime, ein Bei-Fuß und Hab-Acht herrschen (man lese die Forderungen der AfD dazu im Grundsatzprogramm), damit der enorme Aufwand zur Diktatur  auch diszipliniert durchgehalten werden kann. Deshalb muß vor allem nach  innen überwacht  und kontrolliert werden und bei Zuwiderhandlungen bestraft oder ausgestoßen und vernichtet.

Doch ein Leben ohne Zuwiderhandlungen ist nicht möglich – höchstens einem Roboter; also wird es irgendwann, man muß nur lange genug warten, jeden treffen. Auch das ist ein unbedingter Wesenszug von Diktatur und Faschismus: entweder Unterwerfung als gewissenlose Maschine oder aussortiert und vernichtet werden.

So erodiert ein autoritäres Gemeinwesen schließlich von innen. Der Niedergang des Ostblocks hat es gezeigt – allerdings erst nach Jahrzehnten und unter unerhörten Opfern…

Die Abwehr von oder der Widerstand gegen das, was ich Akut-Moderne nennen möchte, ist also die Verweigerung sich mit ihren aktuellen Herausforderungen ernsthaft zu beschäftigen und Neues zu wagen – diese Abwehr wird auf die Dauer nicht nur nach außen, sondern vor allem nach innen zu altbekannten Strukturen führen: zur Disziplinierung durch Drohungen und Strafen, letztendlich zu Verfolgungen und Vernichtungen. Es kann für Gesellschaften, die reaktionär verfaßt sind, nie genug Minderheiten geben – ob Hexen, Juden, Homosexuelle, Schwarze, Behinderte etc. es müssen immer neue Sündenböcke her, deren alleinige Existenz die happy few, die die  Deutungshoheit in Besitz haben, und den Besitz in Besitz haben, erst in ihrem wahnhaften Richtig- oder Gottgefälligsein bestätigen.  Um diesen Wahn zu regeln erfindet man Moral, die in verschiedenen Masken auftritt: als Religion, Nationalismus, Patriotismus, als heilige Familie oder Vaterland.

So wird die Legitimation scheinbar nach außen ins Numinose, Unanzweifelbare, verlagert – deus lo vult, right or wrong my country,  etc. kann jede Brutalität, jedes Unrecht legitimieren durch Autorität, die letztendlich wie eben der autoritäre Vater Basta ruft und nicht mehr hinterfragt werden darf. Im Falle der Zuwiderhandlung wird draufgeschlagen – wie wir´s augenblicklich bei den rechten Bewegungen in ganz Europa beobachten müssen. Wer nicht mitmacht, ist gegen mich  und das Allgemeinwohl – was bei autoritären Menschen oder Bewegungen immer deckungsgleich ist. Der Gebrauch der Floskel etwa: „Wir sind das Volk“ verwischt die Grenzen zwischen Individuum und Allgemeinwohl und schraubt sich zu einem exklusiven Paroxysmus auf: wer in der Masse nicht für uns ist, ist gegen uns – Minderheiten sind irrelevant.

Diese Vorrede war nötig,

um die Mechanismen des europäischen Rechtsrutsches/ruckes zu erklären. Seine Ursachen sind Angst vor der Gegenwart und Zukunft, seine Mittel: aberwitziges Beharrungsvermögen, hysterisches Umsichschlagen und die Suche nach Sündenböcken. Solange man sich mit deren Beseitigung beschäftigt, muß man sich nicht anstrengen, die Zukunft zu gestalten. Konsequent zuende gedacht  heißt das: der Mord bewahrt die Beharrenden vor dem Zwang zu dieser Lebens-Beschäftigung der Zukunftsgestaltung. Wer mordet, stellt sich nicht infrage, im Gegenteil, er bestätigt und legitimiert sich selbst seine unbezweifelbare Macht über Leben und Tod  – das ist das innerste Wesen des Faschismus. Es ist einfacher zu morden als zu denken!

Das ist auch der Kern der großen Religionen: wer sich nicht unterwirft, ist des Todes. Diese tödliche Herrschaftsidee entspringt einer anthropologischen Furcht – der Angst vor dem ungehorsamen Kind. Im Christentum findet jene Angst ihre ultimative Glorifizierung und Vollendung: der Mord am eigenen Sohn ist der zentrale Mythos dieser Religion; ja noch mehr – der Sohn muß auch noch einverstanden sein mit seiner eigenen Ermordung: der ultimative Gehorsam. Diese letale Unterwerfung untern den Willen des Vaters wird seit Jahrtausenden durch das vierte Gebot legitimiert.

Das „Listen, I can make you and I can break you“, die Forderung nach völliger Unterwerfung des Kindes, des Menschen schlechthin unter die (väterliche) Autorität wird als höchste Tugend gepriesen.

Das Brechen des Kindes, damit es so wird wie seine Eltern, ist auch das tatsächlich mörderische Zentrum des Konservativismus. Die Furcht vor der kindlichen Eigenständigkeit, der eigenen Weltauffassung des Nachwuchses ist so groß, daß der Akt der Disziplinierung schon ganz früh beginnt.

Was der arabische Dichter Khalil Gibran  uns ins Stammbuch schrieb: „Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber!“ dürfen wir nicht wahrhaben, denn das erlaubt keine Hierarchie von besitzenden Eltern und besessenen Kindern.

Was seit 1968 gelungen  ist, sind zaghafte Fortschritte im Abbau dieser Hierarchie, schwierig genug, denn das heißt: das halbwegs gedeihliche Fort- und Auskommen miteinander immerfort neu zu verhandeln, anstatt rigide Werte zu setzen, die tödlich sein müssen. Deshalb hat z.B. Ratzinger-Benedikt die ungeheure Invektive von der „Diktatur des Relativismus“ in die Welt gesetzt, um seine eiserne Jungfrau der Hierarchie und des daraus resultierenden Menschenbrechens immer wieder zuschnappen zu lassen.

Das übelste Moment dabei: der Mord, die Grausamkeit, die Schläge, der Spott, die Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten werden als Liebestaten verschleiert – in den Religionen, in den Familien und in totalitären Systemen. Man muß nur daran glauben, sonst muß man daran glauben. So kommt es, daß Gesellschaften reaktionär verfaßt bleiben, denn die Wahrheit über die Herrschenden oder die Eltern darf nicht gewußt werden. Deshalb gab es 1968 einen solchen Aufruhr – der Versuch etwas politisch Neues zu wagen konnte nur geschehen, wenn man sich keine Illusionen mehr über die reaktionäre Elterngeneration machte – die im Übrigen ja auch durch ihre eigenen Eltern gebrochen war – und so fort.

Vor kurzem zeigte der WDR einen Film aus der Reihe „Menschen hautnah“: „Nur ein Klaps!“   Darin erzählten Kinder mit lächelnden Gesichtern, daß ihre Eltern sie eigentlich selten schlügen (von Verspottung und Mißachtung war schon gar nicht die Rede); ungerührt setzen sie hinzu: und wenn doch, dann hätten sie diese Schläge auch verdient gehabt…

Dabei gilt es zu daran zu erinnern, daß vor 15 Jahren gegen den Widerstand der damaligen „konservativen“ CDU-Opposition das Schlagen von Kindern und „seelische Grausamkeiten“ als „Erziehungsmaßnahme“ verboten wurden.  Wer einen Erwachsenen schlägt, wird wegen Körperverletzung bestraft, wer ihn beleidigt, wegen Beleidigung.

Aber noch immer ist das Schlagen, Beleidigen, Verspotten, Bedrohen von Kindern ein normaler Umgang mit ihnen, sonst würden Kinder ihre Eltern (oder andere Personen, die ihnen das antun)nicht mit solchen Floskeln reinwaschen.

Noch immer ist unsere gesamte Kultur auf der Mißachtung von Kindern aufgebaut, auf der Zurichtung von Kindern, die so werden sollen wie ihre Eltern, die sich selbst den elterlichen Erwartungen der Gesellschaft längst gebeugt haben.

Ja, damit mir keine Klagen kommen, es gibt inzwischen auch genug Eltern, glücklicherweise, die anders denken und anders handeln – und nur diese Eltern und Kinder werden den Verlockungen der Neorechten widerstehen, werden nicht auf ihr schamloses Angebot des Hasses hereinfallen. – Sophie Scholl ist schon in den 30er Jahren trotz der faschistischen Gesellschaft so aufgewachsen; daß sie eben nicht auf den Verbrecherstaat hereinfiel und auch gar nicht anders konnte, als ihn abzulehnen, kostete sie das Leben.

Wer als Kind den Schmerz des Unterdrückt- und Zurechterzogenseins gespürt hat, der müßte doch eigentlich anderes wollen – ich kenne viele Eltern, die anders denken und leben, die ihre Kinder davor bewahren möchten, daß ihnen das Gleiche passiert wie ihnen selbst. Wer jedoch die Lüge gelernt hat, daß dieser Schmerz nichts bedeutet, sondern gar gerecht ist, der wird sich an den eigenen Kindern, an der nachfolgenden Generation, mit den gleichen Lügen und Untaten rächen für die Schmerzen und Grausamkeiten, die er empfangen hat.

So sah es aus bei der Mutter, von der ich am Beginn erzählte. Sie wurde nicht fertig mit den ersten Zeichen der Selbstständigkeit ihres Kindes, vielleicht war es auch nur quengelig, weil es des Einkaufens und Hin- und Herrasens in der Stadt müde wurde. Ganz gleich – das mußte bekämpft werden, mit Schreien und Drohungen, die dem kaum der Sprache mächtigen Kind Angst machten. In die Perspektive des Kindes konnte sich diese Mutter nicht hineinversetzen, konnte nicht sehen, wie sie als große, laute, drohende Erwachsene das Kind völlig überwältigte und noch kleiner und hilfloser machte als es ohnehin  war.

Für einen Moment aber fühlte sich die Mutter als sie aufschrie in ihre eigene Kindheit versetzt und spürte die elterlichen oder erwachsenen Grenzüberschreitungen, als ich ihr in ihrer schlagenden Selbstherrlichkeit in den Arm fiel! Aber gleich glitt sie zurück in ihre Wut: warum durfte sie das, was ihr angetan worden war, jetzt nicht auch ausüben an ihrem Kind?!

Zurecht spürte sie Zorn und Wut – aber nicht über die, die ihr was auch immer angetan hatten, sondern sie goß beides über einen Sündenbock aus, das eigene Kind.

So funktioniert Totalitarismus: er braucht Sündenböcke, um frühe Ungerechtigkeiten an Anderen, Wehrloseren auszuagieren. Die Abfuhr der Wut geschieht bei Stellvertretern doch gilt nicht denen, die sie einmal erzeugt haben.

Die Kindheitsforscherin Alice Miller hat in „Am Anfang war Erziehung“ und anderen Werken nachgewiesen, wie dieser Mechanismus in Tyrannen wie Hitler, Ceaucescu, Stalin und anderen  gewirkt hat: sie haben sich an ganzen Menschengruppen gerächt für frühe Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten. Das entschuldigt sie keineswegs.

Doch diesen Mechanismus zu begreifen heißt auch zu begreifen, weshalb die neurechten Bewegungen in Europa und Deutschland so viel Erfolg haben und woher deren Haß resultiert. Diese Bewegungen erlauben den Haß auf Sündenböcke: Flüchtlinge, Juden, Homosexuelle etc. Sie erlauben, daß die Grausamkeiten, die man einmal selbst erlebt hat, ein Ventil finden.

Die unerhörte Maulmörderei

der Pegidisten und AfDler wird – da habe ich keinen Zweifel – durch solche Machwerke wie das Grundsatzprogramm der AfD legitimiert und ihre Fortsetzung in echten Gewalttaten finden; Überfälle auf Asylanten und Brände in Heimen sind ja schon fast an der Tagesordnung.

Die Vordenker der Neuen Rechten, wie Götz Kubitschek oder Jürgen Elsässer,  schwätzen sogar schon von Widerstand – aber, wie dann auch wieder das Grundsatzprogramm der AfD zeigt, nicht von Widerstand gegen die tatsächlichen Ursachen und Verursacher der Umstande, die man als bedrückend empfindet…nein sie lenken die Wut des Widerstandes auf jene Sündenböcke, die auch noch durch einen ungeheuren Hype verteufelt werden. Gutmensch wird zur diabolischen Vokabel; Flüchtlinge werden zu feindlichen „Invasoren“ oder die Weltverschwörung der „Homo- und Genderlobby“ bedroht gleich die ganze Zivilisation. Die „Volksverräterin“ Merkel will das biodeutsche Reich (jenen kleinkindlichen Traum von totaler entindividualisierter orgasmischer Einheit) vernichten.

Es werden sämtliche Errungenschaften des menschlicheren und zivileren Umgangs miteinander bekämpft werden, die wir in den vergangenen vier  Jahrzehnten erreicht haben – denn die tragen ja zur Auflösung der Hierarchien bei, des patriarchalen Oben und Unten, des kindlichen Gehorsams.

Zucht und Ordnung, preußische Tugenden sollen wieder Einzug halten ins öffentliche und private Leben. Das soll schon im frühesten Alter anfangen. Kein Wunder also, daß im Grundsatzprogramm der AfD auch die Disziplinierung der Schüler in entsprechenden Zwangskursen gefordert wird oder die Herabsetzung der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre, um schon die Kinder auf die Phantasma des Gehorsams und der Furcht vor der Obrigkeit abzurichten.

Auch soll die Wehrpflicht wieder eingeführt werden, um so durch Wehrhaftigkeit (ein Phantasma der Konservativen) die Männlichkeit zu sichern und gleichzeitig die Zeugungsfähigkeit wieder zu stärken. Disziplinierung auch beim Kinderkriegen – natürlich zahlreich – aber nicht mehr allein, am besten in der Ehe, damit die Frauen wieder unter mehr männliche Aufsicht kommen. Und damit sie auch in der Ehe bleiben, will man das Schuldprinzip bei Ehescheidungen wieder einführen.

Alles also Erziehungsmaßnahmen, um die Selbstständigkeit der Bürger  einzuschränken. Die Macht der Eltern wird hier in die Pastoralmacht des Staates überführt, der auch vorschreibt, wie es eben viele Eltern mit ihren Kindern tun, wie der unmündig gehaltene Bürger zu leben hat.

Grausamkeit und Brutalität, die die Eltern vor ihren Kindern mit angeblicher Liebe verschleiern, verschleiern die Neorechten der AfD mit den Lügen von Volkskörper, Deutschtum und Patriotismus.

So wie die Eltern ihre Kinder brechen, damit sie nicht den eigenen, sondern den Lebensweg der Eltern einschlagen, brechen die Rechten aus schierer Angst vor der Zukunft, die ihr überkommenes Weltbild überrollen könnte, sich selbst und wollen, daß die anderen ebenso gebrochene Kleinbürger,  Würmer des Autoritären werden.

Der autoritäre Mensch

…ist aber so verfaßt: er ist nicht zu befriedigen, er braucht immer wieder neue  Sündenböcke, um sich für einmal erlittenes Unrecht, Zurechtweisung und Mißachtung quasi rächerische Triebabfuhr zu verschaffen. Deshalb konnte Hitler eben nicht durch den millionenfachen Massenmord befriedigt werden, am Schluß des Krieges sollte sogar noch das ganze Volk dran glauben. Stalins Verfolgungswahn beruhte auf den gleichen Strukturen: er rächte sich ebenfalls an Millionen seiner Landsleute und war selbst auf dem Totenbett eine solch raschsüchtige Figur, daß sein Hofstaat  Angst hatte, sein Zimmer zu betreten. Nur die Unterwürfigkeit aller Sowjetbürger konnte ihn für eine Weile beruhigen, dann zitterten die vor ihm,  wie er einmal vor seinem trunksüchtigen, sadistischen Vater gezittert hatte.

Damit des nicht abstrakt bleibt,  schauen wir uns abschließend doch ein paar der „Führerfiguren“ an, die von solchen Machtpositionen träumen, wie die eben erwähnten Diktatoren und sich jetzt schon verhalten wie vorpubertäre Diktatoren im Sandkasten. Allein mit Gestik, Mimik, Habitus und Sprachduktus gleichen diese Type dem geprügelten Kind, das  sich mit sadistischer Freude zeitweilige Erleichterung verschafft, wenn es später, physisch erwachsen geworden,  auf andere einprügeln kann.

Gleicht  der beständige gish-gallop der Frau Petry nicht dem atemlosen Geschwätz einer Tochter, die nicht fürs Abitur gelernt hat und doch ihrer gestrengen Mutter vormacht, was sie alles weiß? Ohne Luft zu holen, damit man ihr nicht ins Wort fallen kann, sprudelt sie beständig Floskeln der Abwehr heraus, damit man ihr nicht auf die Schliche komme.

Ist nicht ihr permanentes durchaus unangenehmes Grinsen, das Grinsen eines Kerkermeisters, der, sich seiner Stellung sicher, die Daumenschrauben beim wehrlosen Delinquenten anlegt, und sich daran ergötzt, daß ein anderer leidet?

Dieser Tage bestätigte ein ehemaliger Lehrer im „Stern“, daß Frau Petry schon als Schülerin unangenehme Eigenschaften gehabt habe, eher Raffinesse als Klugheit. Es ist doch die Raffinesse des Klassenpetzers und Kofferträgers, die nur Menschen an den Tag legen, die schon von klein auf gezwungen waren, zu schmeicheln und zu liebedienen, um dem Zorn der Eltern zu entgehen.  Und jetzt als Quasi-erwachsener kann sie sich räsonierend und schikanierend an anderen schadlos halten, wie man sich einmal an der ganz jungen Frauke Petry schadlos gehalten hat.

Und Björn Höcke, diese nicht wirklich charismatische Taschenausgabe eines Redners aus dem Dritten Reich, wie er unbeholfen versucht, wie Goebbels herumzufuchteln oder mit der Stimme zu spielen wenn er sich wie jener in schalen intellektuellen Zitaten suhlt, um dann doch wieder in rassistische Grobheiten zu verfallen.  Zeugt nicht diese geduckte Gestalt, dieses unfrohe Lächeln bis Grinsen nicht auch von Anbiederung, meint man nicht bei seinen Tiraden zu hören: Ja, Papi, ich wird alles machen wie du willst? – weil er Angst hat, wieder geschlagen zu werden.

Inzwischen ist ja auch bekannt, daß Höcke vor allem von seinem Groß- und damit Übervater schon ganz früh rechtsnational und autoritär beeinflußt wurde, damit er zum Kerl heranwüchse. Doch wirkt er eher wie ein verschlagen-verschüchterter Halbstarker, der eine Riesenangst davor hat, ertappt zu werden, daß er die erträumte Männlichkeit bloß markiert.

Ach – und Beatrix von Storch… spürt man nicht in ihrer Patzigkeit, in ihrer mangelnden Eloquenz, die mit Grobheiten überspielt wird, das von Anforderungen (nicht nur der Moderne, sondern vor allem der Erzieher) überforderte Kind, dem die Welt im Sandkasten eigentlich genügte – so behandelt sie ja jetzt auch die Welt!

Und sind nicht dieser  ausgehöhlte Blick, die Verschrecktheit und gleichzeitige Gier, die darin liegen, auch ein Zeichen für ungestillten Hunger? Resultiert dieses Gesicht nicht aus einer Zeit, in dem dem Kind aus Erziehungsgründen und zur Strafe Nahrung vorenthalten wurde – vor allem emotionale Nahrung vorenthalten – auch das als Strafe: geh weg, ich mag dich nicht mehr! In Frau von Storch sehe ich das verstoßene adelige Kind, das den Eltern nicht genügend Adel und Arroganz an den Tag legte. Jetzt aber will sie es ihren Eltern zeigen…

Nur so läßt sich die völlige Kälte des von Storch geforderten Schießbefehles verstehen und die Eisigkeit, mit der sie auch andere Forderungen der Entsolidarisierung und Menschenverachtung stellt.

Nein, ich sage nicht die Neurechten und ihre Wähler hätten alle eine schlechte Kindheit gehabt. Sie hatten gar keine, weil sie schon früh für die Zukunft diszipliniert, indoktriniert und gebrochen wurden, denn ihre Eltern und ihr Umfeld fürchteten sich vor dem Anderen des Kindes, dem ungeratenen Blag, das vielleicht nicht so werden wollte wie die Eltern. Also mußte es gebrochen werden und geblendet, damit es sein Zerbrochensein nicht bemerkte, nicht bemerkte, wer ihm das angetan hatte.

Sie stecken fest, die alten und neuen Faschisten, in diesem System des verkapselten Schmerzes und müssen es ununterbrochen erhalten und weitergeben an die nächste Generation, die wieder einschlagen soll auf Andere, Lebendigere. Und die immer wieder aus der Vergangenheit herausgekratzten Verbote und Grenzen, ohne die sie nicht können, halten sie ab, menschliche Lösungen für unsere drängenden Probleme zu finden.  Sie schreien autoritär nach Obergrenzen, faseln von kriminellen Ausländern oder erfinden die Gender- und Homolobby als äußere Feinde, nur um nicht zu merken, daß sich der Feind längst in ihnen festgefressen hat.

So ein Mensch kann nur negativ, verneinend, zerstörerisch reagieren –ist unfähig, zu agieren; alles was er macht, ist eine Reaktion auf ganz frühe Kränkungen. Es gibt sie nicht nur bei den AfD-Anhängern,  diese menschlichen Unglücke; aber in solchen Milieus ganz besonders viele.

Es gibt gewichtige Gründe…

…für das Auftauchen der Rechten: soziökonomische vor allem – die Angst abzurutschen und überrollt und in jedem sinne geschlagen zu werden.

Die AfD-Leute, PEGIDA und ihre Fans verhalten sich wie jenes Kind im Kinderwagen, das von seiner Mutter angeschrieen und beinahe geprügelt wurde. Sie schreien sich in Panik, Hysterie und vielleicht sogar Ohnmacht – aber wehe, wenn das Kind größer geworden ist, dann wird es ebenso um sich schlagen. Und die AfD und ihre Wähler sind kurz davor.

Die politischen, ökonomischen und sozialen Gründe jedoch erklären nicht den schwärenden und aufbrechenden Haß – der hat eine andere Ursache: jene Mißachtung der Zukunft, jenen Glauben, die Kinder müßten so werden wie die Eltern, jenem Wahn, man besitze das Kind, das gezügelt und gezogen werden muß, damit es zur Kopie seiner Eltern wird.

Kinder, die nicht so aufgewachsen sind, fallen als Erwachsene mit Sicherheit nicht auf Rattenfänger herein. Wer ein ungebrochenes Selbstwertgefühl hat und sich in den Anderen einfühlen kann, der wählt keine AfD und wird kein Rassist und wird niemals wie Alexander Gauland sagen, man solle sich von den Bildern ertrunkener Kinder im Mittelmeer nicht erpressen lassen. Nur wer diese Eigenschaften entbehrt, muß ja die anderen, die sie besitzen als Gutmenschen diffamieren, um seine eigenen Schurkereien zu legitimieren.

Selbstbewußtsein allerdings, das haben von Storch, Petry, Höcke und die anderen – eine mühselige Maske der Selbstbehauptung, die rasch zu grotesken Perchte wird und oft verrutscht und dann eben keine Fratze, sondern ein Antlitz der Leere sichtbar werden läßt.

Wir müssen es konstatieren – sie sind verloren für Anstand, Demokratie und Menschlichkeit, die AfD-Leute und ihre Wähler; aber nicht erst jetzt – dieser Verlust geschah schon ganz früh. Und aus diesem eigentlich tragischen Verlust speist sich ihr Haß.

25 Prozent der Bevölkerung sind offenbar von dieser Art, früh Zerbrochene, gierig nach Leben, zu dem sie nicht durchstoßen, neidisch auf andere, denen sie es vergällen wollen, wie es ihnen schon früh vergällt wurde. Sie bleiben verloren; die Politiker der anderen Parteien, irren sich, wenn sie meinen, diese Rechten zurückgewinnen zu können, denn die AfD bietet ihnen die bisher nicht gestattete Spielwiese für ihren Haß.

Grundsatzprogramm der AfD

 

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