KING KONG am Kölner Hauptbahnhof
KIng Kong: Visualisierung einer paranoiden weißen Männerangst.
Noch mehr als 80 Jahre nach seiner Erstaufführung ist er unübertroffen: der erste KING KONG, das tricktechnische Wunderwerk der frühen Tonfilmtage. Auch Peter Jacksons digitale Neuverfilmung konnte nicht so viel Rührung und Entsetzen erzeugen wie jener Klassiker von dem Riesenaffen, der sich in eine Menschenfrau verliebt und deswegen sterben muß.
Natürlich war der Film ein grandioses Werk der Unterhaltung; nicht nur der Umgang mit der Tricktechnik war meisterhaft – meisterhaft war vor allem, wie die Autoren damalige Zeitströmungen gleichsam subkutan in ihre Story einwoben. Ernest B. Schoedsack und Merian C. Cooper hatten mit der Hilfe des etwas vulgären, aber im Treffen des Publikumsgeschmacks zielsicheren Edgar Wallace (ja, dem Krimiautor), ein Monster auf die Leinwand gebracht, das tief verborgen lag in den Köpfen und Herzen der weißen Männer.
Nicht umsonst lautet der deutsche Titel „King Kong und die weiße Frau“ – die deutschen Bearbeiter der Zeit hatten also auch schon die rassistischen Strömungen der damaligen Gegenwart in dem Film erkannt und ihn entsprechend betitelt. Der Rassismus der Story ist eigentlich evident – aber das Abenteuer und die spektakuläre Umsetzung verdecken bis heute diese Unterströmungen.
Es wird am Filmende sogar explizit gesagt: „Es war die Schönheit, die das Biest zu Fall brachte!“ – im wahrsten Sinne des Wortes hinab vom Empire State Building. Das wird am Ende gesagt, denn wäre das früher geschehen, wäre uns vielleicht aufgefallen wie absurd es ist, daß sich ein 20 Meter großer, wilder Gorilla in eine kleine weiße Frau verlieben sollte, die in seinen Händen nicht mehr als eine Barbiepuppe ist. Vielleicht ist er deshalb so gewalttätig: weil eine körperliche Vereinigung bei diesen Größenverhältnissen unmöglich ist. Trotzdem – King Kong geht zärtlich und rücksichtsvoll erotisch mit der entführten Anne Darrow um. Das zeigt ein oft geschnittener Teil des Filmes, in dem er sie mit äußerster Vorsicht und neugierig entkleidet…
Der Topos vom größeren Sexualorgan
Daß diese Szene in den 30ern geschnitten wurde, hat auch mit den Protesten von Schwarzen-Organisationen zu tun, die sehr wohl verstanden hatten, daß King Kong nicht bloß eine mythische Abenteuergeschichte erzählte, sondern vor allem die Visualisierung einer paranoiden weißen Männerangst war.
King Kong ist ohne Zweifel – psychoanalytisch betrachtet – die Verkörperung des bedrohlichen „Negers“, der dem weißen Mann die Frau streitig macht. Er ist umso bedrohlicher, je größer er wird (im Film wird übrigens damit gespielt, mal wirkt er fünf Meter, mal sogar bald dreißig Meter groß). 1933 – also rund 70 Jahre nach der Sklavenbefreiuung in den USA – wurde damit kaum verhüllt ein bösartiger Topos visualisiert: der vom angeblich stärken Sexualtrieb der Schwarzen und das Märchen, daß sie größere Sexualorgane hätten als die Weißen.
Ein weiterer rassistischer Topos wurde ebenfalls angespielt: die Bedrohung der weißen Frau durch eben diesen Sexualtrieb; ja noch mehr, der Wahn, die ohnehin sexuell anfälligere Frau (wie man selbst heute noch oft genährt durch religiöse Frauenverachtung glaubt) könnte dem mächtigeren schwarzen Sexualorgan in Lust erliegen.
Viele Geschichten aus der Sklavenhalterzeit handeln auch von Tragödien von weißen Frauen, die sich in einen schwarzen Mann verlieben oder zwar mit sehr weißer Haut, doch Mischlinge sind. Darum etwa dreht sich der tragische Konflikt in „Show Boat“ – und noch in den 50iger Jahren z.B. in John Fords „The Searchers“ gilt die weiße Frau, die Geschlechtsverkehr mit einem Mann anderer Hautfarbe hatte als „verdorben!“.
Um es ganz deutlich zu sagen, dem liegt die Hundezüchtermentalität zugrunde, daß eine Hündin, einmal von einem Hund gedeckt, der nicht dieselbe Rasse hat, „verdorben“ sei für die weitere Zucht.
Männlicher Blut-und-Hoden-Wahn
Natürlich handelt es sich hier um männlichen Blut-und-Hoden-Wahn; es geht ums Besitzstandsdenken. Hat also ein Mann, der nicht weiß ist, mit dem Besitztum Frau geschlafen, ist der Besitz verderbt. Wenn sie mit einem anderen weißen Mann schläft ist das schlimm genug, aber das Konkurrenzverhalten ist da nicht so stark ausgeprägt, denn es war ja ein „Bruder der gleichen Hautfarbe!“
Und noch viel schlimmer ist es dann, wenn eine weiße Frau von einem nichtweißen Mann vergewaltigt wird…da hat Mann nicht Mitleid mit der Frau, sondern sieht seinen Besitz am Frauenkörper beschmutzt und zerstört – die Ehre des Mannes liegt in der Vagina der Frau. Dazu kommen die Phantasien von den großen Gliedern der Schwarzen – man empfindet sich als blonder Kleinpenisträger ins Hintertreffen geraten. Eine andere Form von Penisneid – ja, ein Sexualneid, der eigentlich auch bedeutet, man könne dem (Pardon) angeblich großschwänzigen Konkurrenten nicht das Wasser reichen oder die gleiche Spermamenge.
Was also in diesem Rassismus zutage tritt, ist die Angst, in der Fortpflanzung ausgeschaltet zu sein oder zu versagen – und deshalb muß der Konkurrent auch zum Monster und Biest stilisiert werden, zum Riesenaffen, dunkel, dröhnend und übermächtig potent.
Besitzanzeigende Vergewaltigung
Ein archaisches Verhalten – niemals eines, das etwa von Mitleid und Mitempfinden mit der Frau geprägt wäre. Ein unzivilisiertes Verhalten, das Sexualität, Erotik und Lust ausschließt – die werden höchstens als Nebenprodukte des Sexualaktes mitgenommen. Befriedigung ziehen solche Männer nicht aus dem Orgasmus; das Ejakulat ist gleichsam ein Stempel auf der Frau wie auf einer Besitzurkunde.
Jede Vergewaltigung ist im Grunde nichts weiter als eine Markierung des Besitzes an der Frau. Sie muß für die Erfüllung des Fortpflanzungstriebes herhalten, für die penile Übermacht.
All das gilt auch für die Vorkommnisse am Kölner Hauptbahnhof; denn bei den bisher ungeklärten Vergewaltigungen und Übergriffen ging es nicht um Sexualität – Akte der gewalttätigen Sexualität dienten hier der Ablenkung und der Tarnung für Raub und Diebstahl. Es ging um Besitz – da galt der Übergriff auf den weiblichen Körper eben nicht den Frauen (wie Vergewaltigung nie den Frauen gilt, sondern immer nur der Selbstbestätigung des Mannes) – sondern die Vergewaltigung ist in mehrfacher Hinsicht ein Akt der Bemächtigung am Besitz.
Das gilt nicht nur für die Straftäter von Köln…es gilt im gleichen Maße für den rechten Männermob, der sich jetzt formiert. Noch am Neujahrstag schneite mir ein primitives Video eines Mannes auf meine Facebook-Timeline, der sich für die stilistischen und technischen Schwächen eines Empörungsposts entschuldigte. Er war einfach „zu erregt!“ Er übertrug natürlich die Gerüchte von schwarzhaarigen und dunkelhäutigen Menschen gleich auf eine ganze Bevölkerungsgruppe. Die erbärmlichen Kriminellen wurden gleich zu einer tausendköpfigen Bande stilisiert, dunkel, dräuend, die weißen Frauen, die deutschen Frauen, seine/unsere Frauen bedrohend.
Der deutsche Frauen verunreinigende Araber
Und so trieb sich ein arabischer King Kong am Kölner Hauptbahnhof herum, der die Rassereinheit, ja die Sauberkeit des deutschweiblichen Sexualorganes bedrohte – nicht die körperlich-seelische Integrität der Frauen, sondern den Besitz des deutschen Mannes an seinen Frauen.
Nicht mehr die sexuelle Gewalt stand im Vordergrund und die Anteilnahme mit den Opfern, sondern der Riesenaffe des Arabers, der deutsche Frauen verunreinigte und sie damit der rassereinen Fortpflanzung entzog.
Besonders deutlich wird dieser paranoide aber nicht bewußte Wahn ausgerechnet bei einer Frau: Birgit Kelle mußte natürlich ohne Kenntnis der tatsächlichen Vorkommnisse gleich einen zehntausendfach gelikten Artikel raushauen.
Auf kath.net– wo sonst – ließ sie ihre übliche Doppelsprech-Suada vom Stapel, um die Frauenbewegung zu diskreditieren. Wenn deutsche Männer übergriffig werden, beschuldigt sie die Frauen „Dann mach doch die Bluse zu!“ – wird aber der düstere Araber übergriffig, dann ist er das haarige Monster, das vom Wolkenkratzer gestoßen oder ausgewiesen werden muß, damit er den Besitz am Weibchen nicht gefährdet. Birgit Kelle liebt ja die Weibchenrolle…
Von erträumten Dauererektionen geprägte Angst deutscher Männer
Die Vorgänge in Köln werden nicht als das benannt, was sie sind – sexuelle Gewalt und damit kriminell. Der paternalistisch-patriarchale Gestus (den auch Frauen wie Kelle hier an den Tag legen) verbirgt, daß es nicht um Anteilnahme mit den Frauen geht oder um ihre Rechte von Unversehrtheit der Psyche und des Körpers. Nein, ganz passend ins Bild des patriarchalen Rassismus schwingt letztendlich die faschistische und von erträumten Dauererektionen geprägte Angst der Männer (denn zumeist empören sich ja darüber Männer) mit, die meinen, ihrem evolutionären Trieb nachgeben zu müssen, um den Sie einen Kult gebildet haben – und vor allem Religion und Faschismus sind Peniskulte.
So wird es auch verständlich, wenn ausgerechnet der homosexuelle Theologe David Berger diese Vorfälle nutzt für seine inzwischen gräßliche Hetze gegen Araber und Muslime. Auch der homosexuelle Mann ist eben ein Mann, der in vielleicht noch größerem Maß in Penis-Kategorien denkt. Berger hat ein festgeschriebenes Männerbild: das des weißen, muskelstrotzenden Tom-of-Finland-Mannes. Deshalb so wundert es nicht, daß er dieser Tage auf seinem obskuren Medium „Gaystream“ den sexuellen Übergriff eines Arabers in ähnlicher Manier ausschlachtet wie andere Salonfaschisten die Vorgänge in Köln.
Sexualneid, Rassismus, Fremdenangst und Frauenhaß
Weshalb also hatte der Film KING KONG damals so eine große Wirkung? Die Neuverfilmung verzichtet ja auf die gefährlichen Untertöne und galt nur noch als gelungenes Trickspektakel, faßt aber nicht mehr ans Herz!
Unterschwellig spürten die Männer, daß hier ihre Furcht um die bedrohte penile Oberhoheit über ihre Frauen dargestellt wurde; und die Frauen sahen ihre Angst vor und Lust an der angeblich größeren sexuellen Virilität der Schwarzen bestätigt. Beides Phantasien – aber vielleicht gerade deshalb so wirkmächtig.
Ersetzen wir Schwarzer durch Araber oder Moslem wird der wahre Grund für den Medienhype um die Kölner Geschehnisse deutlich: Sexualneid, Rassismus, Fremdenangst und Frauenhaß ohnegleichen.
KING KONG von 1933 übrigens erzählt von einer vorzivilisierten Welt und den Brüchen der Zivilisiertheit. 2016 ist also gleich von Anfang an das Jahr, in dem die Zivilisation noch mehr Risse bekommt und der alte Affe darunter zutage tritt…denn auf den Zivilisationsbruch der Vergewaltigung, wird in gleicher Manier reagiert. Der eine Schwanzträger reagiert auf den anderen!
So – und jetzt darf man mich standrechtlich erschießen…