Legalize it – Kiffen in Deutschland
Seit Jahrzehnten quält Deutschland sich und die Kiffer mit einer gescheiterten Drogengesetzgebung. Es ist Zeit, das zu ändern.
Kanadas neuer Regierungschef Justin Trudeau kündigt an, im nächsten Jahr den Konsum von Cannabis zu legalisieren. Damit wäre zum ersten Mal ein ganzes G7-Land dabei, den Prohibitionsunfug gegen THC-Produkte zu beenden. Ich vermute mal, dass da in Kanada nicht nur der bloße Konsum legalisiert werden soll, sondern auch der Besitz, Erwerb, Anbau und Handel von Haschisch und Marihuana. Sonst macht es ja wenig Sinn.
Bei uns in Deutschland war der Konsum von Cannabis noch nie strafbar, aber eben auch nur der Konsum. Und Konsum ohne Erwerb, Besitz, Anbau und Handel ist ja gar nicht so einfach und all das ist immer noch verboten, es ist strafbar. Entgegen landläufiger Meinung, wird es auch verfolgt und bestraft. Die Kiffer werden zu Straftätern erklärt.
Alles Kriminelle?
Als Strafverteidiger habe ich ständig Umgang mit den unterschiedlichsten Menschen, die einer Straftat verdächtigt werden. Die meisten von denen haben auch tatsächlich eine Straftat begangen. Es ist ja nicht so, als würden Polizei und Staatsanwaltschaft aus Jux grundsätzlich nur Unschuldige verfolgen. Im Volksmund werden diese Menschen auch gerne Kriminelle genannt, was ich bei Mördern, Räubern, Dieben, Vergewaltigern, Steuerhinterziehern und Pädosexuellen problemlos nachvollziehen kann.
Bei den Drogenkonsumenten ist der Begriff des Kriminellen allerdings völlig daneben. Insbesondere bei den Kiffern, also den Konsumenten von Haschisch und Marihuana, könnte ich beim besten Willen nicht erklären, warum das Kriminelle sein sollten. Die tun ja keinem was und nehmen auch keinem was weg.
Sie konsumieren den in Haschisch und Marihuana enthaltenen Wirkstoff THC, entspannen sich dabei und tun in aller Regel niemandem etwas zu leide – die meisten nicht mal sich selbst. Warum das strafbar ist, warum diese Menschen kriminalisiert werden, ist mir völlig unverständlich.
Und es ist an der Zeit, das schleunigst zu ändern.
Das Strafrecht dient dem Rechtsgüterschutz. Das Verbot von Mord und Totschlag soll das Rechtsgut Leben schützen, das Verbot von Körperverletzungsdelikten dient dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit, bei Diebstahl ist es der Schutz des Besitzes, bei Vergewaltigung der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung usw.
Aber welches Rechtsgut wird dadurch geschützt, dass man den Kiffern ihren Joint verbietet?
Im systematischen Kommentar zum Strafgesetzbuch schreibt einer meiner früheren Lehrer, der hochgeschätzte Prof. Hans-Joachim Rudolphi, zur Berechtigung von Strafgesetzen, diese müssten sich
„als angemessene Mittel zur Verbrechensbekämpfung erweisen. Zu der Richtigkeit und Vernünftigkeit des Zwecks müssen – soll die jeweilige Strafnorm im vollen Umfange gerechtfertigt sein – die Richtigkeit und Vernünftigkeit des Mittels hinzukommen, d. h. die jeweilige Verhaltensnorm und die angedrohten Sanktionen müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.“
(Vorbemerkungen vor § 1 Rdnr. 12, Rudolphi, SK-StGB – Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Autor: Hans-Joachim Rudolphi)
Kein Grund erkennbar
Einfach irgendwas verbieten, weil es ihm Spaß macht, darf also auch der Gesetzgeber nicht. Also sollte man meinen, dass sich irgend ein vernünftiger Grund für das Verbot finden lassen müsste , weil es das Betäubungsmittelgesetz nun mal seit Jahrzehnten gibt.
„Der Gesetzgeber verfolgt mit dem derzeit geltenden Betäubungsmittelgesetz ebenso wie mit dessen Vorläufern den Zweck, die menschliche Gesundheit sowohl des Einzelnen wie der Bevölkerung im Ganzen vor den von Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahren zu schützen und die Bevölkerung, vor allem Jugendliche, vor Abhängigkeit von Betäubungsmitteln zu bewahren.“
meinte das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung von 1994, also vor 21 Jahren unter Bezugnahme auf die Begründungen der Regierungsvorlage zum Betäubungsmittelgesetz von 1971, BRDrucks. 665/70 und der Regierungsvorlage des Betäubungsmittelgesetzes 1981, BTDrucks. 8/3551.
Das war damals eine schon leicht bekiffte Begründung, wenn man die objektiven Gesundheitsschäden in der Bevölkerung durch Alkoholabhängigkeit mit denen durch THC-Konsum mal verglichen hätte.
Außerdem steht es schon aufgrund von Art.2 GG jedem Menschen frei, seine Gesundheit zu schädigen, soviel er will. Der Staat ist nicht der Herr meiner Gesundheit. Und ob ich mich nun ungesund ernähre oder nicht ernähre, zuviel saufe oder auch gesundheitsschädlichen Sportarten nachgehe, es geht den Staat einen Scheissdreck an. Das mag jetzt dem ein oder anderen nicht gefallen, es ist aber so.
Aber egal. 21 Jahre sind eine lange Zeit, eine damals gebaute Tüte hätte längst schon keinen THC-Gehalt mehr und das Gericht hat auch damals schon ganz clever den Schwarzen Afghanen an den Gesetzgeber zurückgespielt.
Immerhin waren die Richter sich damals schon der Tatsache bewusst zu sein, dass der Kleinkonsument gerade nicht die Personifikation des Bösen oder auch nur kriminell ist:
„Beschränkt sich der Erwerb oder der Besitz von Cannabisprodukten auf kleine Mengen zum gelegentlichen Eigenverbrauch, so ist im Allgemeinen auch die konkrete Gefahr einer Weitergabe der Droge an Dritte nicht sehr erheblich. Entsprechend gering ist in aller Regel das öffentliche Interesse an einer Bestrafung. Die Verhängung von Kriminalstrafe gegen Probierer und Gelegenheitskonsumenten kleiner Mengen von Cannabisprodukten kann in ihren Auswirkungen auf den einzelnen Täter zu unangemessenen und spezialpräventiv eher nachteiligen Ergebnissen führen, wie etwa einer unerwünschten Abdrängung in die Drogenszene und einer Solidarisierung mit ihr.“
Spießiger Kriminalisierungsspuk
Ja , wohl wahr. Da können Tausende von harmlosen Kiffern ein jammerbardiges Lied von singen. Statt nun aber richtigerweise die Bestrafung von Kleinkonsumenten komplett für verfassungswidrig zu erklären und dem spießigen Kriminalisierungsspuk ein Ende zu setzen, wurde eine windelweiche Begründung für die Verfassungsmäßigkeit der Strafbarkeit geliefert:
„Diesem hat der Gesetzgeber dadurch genügt, dass er es den Strafverfolgungsorganen ermöglicht, im Einzelfall durch das Absehen von Strafe oder Strafverfolgung einem geringen individuellen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat Rechnung zu tragen. Neben den allgemeinen Vorschriften der §§ 153, 153a StPO, die bei geringer Schuld und dem Fehlen eines öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eine Verfahrenseinstellung zulassen, sind hier vor allem § 29 Abs. 5 und nunmehr auch § 31a BtMG zu nennen.“
Nein, hat er nicht. Das ist eben keine rechtsstaatliche Lösung, denn damit sind die Kiffer ausschließlich vom Goodwill der jeweiligen Strafverfolgungsbehörden abhängig. Die Praxis ist nicht nur von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich, sondern sogar von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft und sogar – wenn es schon zu einer Hauptverhandlung gekommen ist – von der Bereitschaft von Richter und Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft bzw. deren persönlicher Einstellung. Manchmal meine ich sogar, es sei vom Wetter oder dem Tag abhängig. Gefühlt wird freitags und bei Sonnenschein mehr eingestellt als montags und bei Regen, aber das muss jetzt nicht unbedingt stimmen.Wäre aber mal ein schönes Promotionsthema.
Wenn ich mir manchmal in der Hauptverhandlung anhören muss, welche Kenntnisse einzelne Richter von den Risiken und Nebenwirkungen des THC-Konsums zu haben glauben, könnte ich graue Haare bekommen, wenn ich die nicht schon hätte. Da werden Horrorstories darüber kolportiert, dass schon der Genuss eines einzige Joints zu einem niemals endenden Trip in eine Psychose führen könne. Dabei ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Psychose und Haschischkonsum bis heute nicht belegt worden. Es wird eher vermutet, dass der THC-Konsum bei prädisponierten Personen lediglich zur Auslösung einer Psychose führen kann. Die akute Risikosteigerung ist aber recht gering. Einige Studien belegen ein leicht erhöhtes Risiko. 1,2 % der in einer australischen Erhebung erfassten Konsumenten wiesen diese Symptome auf. Der Durchschnitt in der Bevölkerung liegt bei 1 % . Beim suffbedingten Störungen des Hirns und der Psyche sieht das ganz anders aus. Aber die gehören offenbar zur deutschen Leitkultur und niemand hat je erwogen, den Erwerb oder Handel mit Schnaps unter Strafe zu stellen.
The German Way of Ecstasy
Manche Richter machen also ein Heidentheater um jeden Kiffer und verhängen auch schon mal die Auflage regelmäßige Drogenscreenings vorzulegen – und das obwohl doch der Konsum gar nicht strafbar ist. Andere Richter sehen das – womöglich aufgrund eigener Konsumerfahrungen? – wesentlich lockerer. Vielleicht sollte man jeden Staatsanwalt und jeden Richter während der Ausbildung mal an einer Kifferrunde teilnehmen lassen. Bei kontrollierten Trinkversuchen, wo es um die Erfahrung mit der Wirkung von Alkohol geht, melden sich – trotz vermuteter privater Erfahrungen – ja auch immer ganz viele. Das ist eben The German Way of Ecstasy.
Durch das dadurch bedingte Einstellungsroulette wird es verfassungsrechtlich im Hinblick auf den Gleichheitssatz recht unappetitlich. Es hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun, wenn ein Verfahren in Nordrhein-Westfalen eingestellt wird und in Rheinlandpfalz nicht. Wir haben keine Länderstrafrecht, das Strafgesetzbuch ist Bundesrecht.
Es wäre also langsam mal Zeit, dass der Gesetzgeber sein gescheitertes Drogengesundheitskonzept überdenkt und zumindest einmal vorab all die Fälle, die nach aktueller Rechtslage eingestellt werden können, komplett von einer Bestrafung ausnimmt. Wäre wenigstens schon mal eine Zwischenlösung auf dem Weg zu einer vernünftigen Drogenpolitik, wenn auch bei Weitem nicht genug.
Prohibition gescheitert
„Die strafrechtliche Drogenprohibition ist gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch“, sagt eine Initiative von mittlerweile über 120 Strafrechtsprofessoren, die nicht nur von unzähligen Strafverteidigern befürwortet wird – neuerdings nennt man uns Strafverteidiger in moborientierten Kreisen auch „Kriminellen-Versteher“ – sondern der sich auch mit Dr. Jürgen Kühling ein früherer Verfassungsrichter und auch die Neue Richtervereinigung angeschlossen haben.
Das sind jetzt sicher nicht alles bekiffte Idioten, sondern seriöse Juristen, die den Unfug der geltenden Drogenpolitik mit überzeugenden Argumenten atomisieren. Die vor allem die Kriminalisierung von erkennbar nicht Kriminellen nicht mehr wollen.
Sie stellen fest:
1. Mit der Drogenprohibition gibt der Staat seine Kontrolle über Verfügbarkeit und Reinheit von Drogen auf.
Nicht die Wirkung der Drogen ist das Problem, sondern die repressive Drogenpolitik schafft Probleme. Die überwiegende Zahl der Drogenkonsumenten lebt ein normales Leben. Selbst abhängige Konsumenten bleiben oftmals sozial integriert. Menschen mit problematischem Drogenkonsum brauchen Hilfe. Die Strafverfolgung hat für sie und alle anderen nur negative Folgen.
2. Der Zweck der Prohibition wird systematisch verfehlt.
Prohibition soll den schädlichen Konsum bestimmter Drogen verhindern. Tatsächlich kann sie dieses Ziel nicht erreichen. Das zeigen alle wissenschaftlich relevanten Untersuchungen. Sogar die Evaluation des 10-Jahres-Programms der UNO zur Drogenbekämpfung kommt im Jahr 2008 zu diesem Schluss. Prohibition schreckt zwar einige Menschen ab, verhindert aber Aufklärung und vergrößert gleichzeitig dramatisch die gesundheitlichen und sozialen Schäden für diejenigen, die nicht abstinent leben wollen. Selbst in totalitären Regimen und Strafanstalten kann Drogenkonsum nicht verhindert werden.
3. Die Prohibition ist schädlich für die Gesellschaft.
Sie fördert die organisierte Kriminalität und den Schwarzmarkt.
Sie schränkt Bürgerrechte ein und korrumpiert den Rechtsstaat. Durch massive Machtanballung bei Kartellen und Mafia nimmt die Gefahr eines Scheiterns der Zivilgesellschaft zu. Stimuliert durch gigantische Profite aus dem Drogenschwarzmarkt entstehen veritable Kriege zwischen Drogenkartellen und in Reaktion darauf sowohl eine Quasi-Militarisierung der Polizei als auch quasi-polizeiliche Funktionen des Militärs. Auch dadurch erodieren staatliche Grundstrukturen.
Sie hat desaströse Auswirkungen auf Anbau- und Transitländer.
Sie behindert eine angemessene medizinische Versorgung.
4. Die Prohibition ist unverhältnismäßig kostspielig
Die Bürger werden Opfer der Beschaffungskriminalität.
Jedes Jahr werden Milliardenbeträge für die Strafverfolgung aufgewendet, welche sinnvoller für Prävention und Gesundheitsfürsorge eingesetzt werden könnten.
Der Staat verzichtet auf Steuereinnahmen, die er bei einem legalen Angebot hätte.
5. Die Prohibition ist schädlich für die Konsumenten
Konsumenten werden diskriminiert, strafrechtlich verfolgt und in kriminelle Karrieren getrieben. Weil es sich um „opferlose“ Kontrolldelikte handelt, welche lediglich proaktiv – und damit Unterschichtangehörige und Migranten benachteiligend – verfolgt werden.
Es gibt keinen Verbraucher- und Jugendschutz. Riskante Konsumformen werden gefördert und die Konsumenten werden gefährlichen Krankheiten ausgesetzt (z.B. AIDS, Hepatitis C).
Normales jugendliches Experimentierverhalten wird kriminalisiert und das Erlernen von Drogenmündigkeit erschwert. Junge Menschen werden dauerhaft stigmatisiert und ihre Lebenschancen werden gemindert.
Vielleicht sprechen sie ihren örtlichen Abgeordneten ja einfach mal bei einem Joint – ach nee, geht ja nicht -, also bei einem Bier mit Korn oder einer Flasche Wein – das geht immer – auf das Thema an.
Es ist höchste Zeit, dass dieses unsinnige und schädliche Gesetz in Rauch aufgeht.