Der Hass auf die Meinungsfreiheit – 2. Jahrestag des Anschlags auf Charlie Hebdo

Der Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo vor zwei Jahren war einer der traurigen Höhepunkte einer ganzen Serie weltweiter massiver Angriffe auf das Recht auf freie Meinungsäußerung. Angriffe, die muslimische Extremisten im Namen des Propheten Mohammed geführt haben und nach wie vor führen. Ein Gastbeitrag von Nina Scholz.


Heute ist der traurige zweite Jahrestag des Anschlags auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ in Paris.

Im Kugelhagel muslimischer Terroristen vor und in den Redaktionsräumen der berühmten linken Satirezeitschrift starben zwölf Menschen, darunter die Hälfte der Redaktionsmitglieder. Ein weiterer Attentäter erschoss in den folgenden zwei Tagen eine Polizistin auf der Straße und vier Menschen in einem koscheren Supermarkt.

In den ersten Tagen nach den Anschlägen von Paris waren fast alle Charlie. Schock und Trauer bestimmten die veröffentlichten Meinungen. Doch schon bald begannen die ersten zu relativieren, Täter und Opfer zu vertauschen und zu mutmaßen, ob Charlie Hebdo nicht vielleicht zu weit gegangen sei.
Zu weit womit? Wie weit darf man gehen, ohne die eigene Ermordung zu provozieren? Und: Waren die erschossenen Menschen im jüdischen Supermarkt in Paris auch zu weit gegangen?,

fragten mein Mitautor Heiko Heinisch und ich vor einem Jahr in unserem Buch „Charlie versus Mohammed. Plädoyer für die Meinungsfreiheit“[i]

Inklusion versus Segregation

In weiten Teilen der islamischen Welt ist es lebensgefährlich, in Glaubensdingen etwas „Falsches“ zu sagen, Jude, Atheist oder homosexuell zu sein. Diese Intoleranz macht sich auch in Europa immer stärker bemerkbar, denn viele Einwanderer aus diesen Ländern tragen ihre Haltungen und Vorurteile im Gepäck, reproduzieren sie durch den Konsum der Medien ihrer Herkunftsländer und tradieren sie an die nächste Generation. Der politische Islam, der leider den Mainstream-Islam dominiert, fördert eine kollektivistische Weltsicht, die auf Feindbilder angewiesen ist. Muslimische Extremisten werden nicht durch Karikaturen provoziert, es ist der Hass auf die freie pluralistische Gesellschaft, auf die Maxime „leben und leben lassen“, auf die Freiheit, der sie antreibt. Vertreter und Vertreterinnen dieses Islams, seien sie nun gewaltbereit oder gewaltfrei, sind sich einig im Versuch, ihre Weltanschauung für sakrosankt zu erklären. Es geht Ihnen nicht um Inklusion, nicht um gleiche Rechte, sondern um Sonderrechte für eine Religion, von deren Überlegenheit sie überzeugt sind und deren politische Dominanz sie für einen Segen halten, es geht ihnen um die exklusive Stellung des Islam, wie man sie in den allermeisten islamisch geprägten Ländern für selbstverständlich hält.

Inklusion bedeutet  gleiche Rechte und gleiche Behandlung für alle. In diesem Sinne waren es die Frauen und Männer von Charlie Hebdo, die den Islam mit einer kaum zu übertreffenden Selbstverständlichkeit karikierten und gerade damit die französischen Musliminnen und Muslime zu gleichberechtigten Mitgliedern der französischen Gesellschaft erklärten. Die Charlie Hebdo Redaktion bezieht sämtliche Bestandteile, Gruppen und Menschen der Gesellschaft ein, indem sie sich über alle gleichermaßen lustig macht: Über Linke wie Rechte, über Liberale und Konservative, über das Christentum wie über Islam und Judentum – sie nimmt Rabbiner ebenso aufs Korn wie Priester und Imame. Der Standpunkt des Magazins erweist sich somit als zutiefst inklusiv. Gerade indem Charlie Hebdo alle Grenzen missachtet, hebt es die Grenzen zwischen den verschiedenen Gruppen auf und schafft– égalité.

Der Chefredakteur von Charlie Hebdo, Gérard Biard, verteidigte einige Monate nach dem Anschlag das uneingeschränkte Recht auf Satire. Der Koran sei davon nicht ausgenommen, denn schließlich sei er auch nur ein Buch. Und wenn ein solches Buch zum Instrument politischer Kontrolle werde, dann gebe es erst recht ein Recht auf Kritik.

Im Andenken an die 17 Menschen, die zwischen dem 7. und  9. Januar 2015 in Paris ermordet wurden.

[i] Nina Scholz/Heiko Heinisch, Charlie versus Mohammed. Plädoyer für die Meinungsfreiheit, Passagen Verlag 2016, 104 Seiten.

Nina Scholz

Nina Scholz ist Politikwissenschaftlerin und Autorin und lebt in Wien. Sie forscht und publiziert zu den Themen Nationalsozialismus, Antisemitismus und Islam und Menschenrechte. Zuletzt erschienen: Nina Scholz (Hg), Gewalt im Namen der Ehre, Passagen Verlag Wien 2015 und gemeinsam mit Heiko Heinisch: Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf ?, Passagen Verlag Wien 2012 und Charlie versus Mohammed, Plädoyer für die Meinungsfreiheit, Passagen Verlag Wien 2016.

More Posts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert