Kims wunderbare Welt des Streaming

Die Machthaber aus dem Kim-Clan gelten als Filmfreaks. Der aktuelle Herrscher Nordkoreas, Kim Jong-un, bringt nun den Streaming-Anbieter „Manbang“ an den Start. Landeskenner schätzen, dass nur wenige Tausend den Dienst empfangen können. Allerdings überlegen wir schon mal, wie Kim das US-Vorbild „Netflix“ überholen kann…


Für alle, die glauben, dass Nordkorea zwar ein paar Bomben und noch ein paar Raketen hat, ansonsten aber tiefste technologische Diaspora ist, hat Machthaber Kim Jong-Un eine Überraschung parat: Das kommunistische Land soll nun seinen eigenen Streaming-Anbieter bekommen, so etwas wie ein volkseigenes „Netflix“ in dunkelrot.

Die TV-Box „Manbang“ (was auf Englisch recht zweideutig klingt, auf gut Koreanisch aber so viel wie „überall“ oder „an jedem Ort“ heißt) soll Kims Untertanen mit staatlich autorisierten Fernsehangeboten versorgen. Die verschiedenen Programme seien deutschsprachigen und englischen Berichten zufolge frei auswählbar und zeitlich flexibel verfügbar. Freuen dürfen sich „Manbang“-Kunden auf linientreue Dokumentarfilme und Lernvideos, um Englisch und Russisch zu sprechen, heißt es in einer Ankündigung des Staatsfunks KCTV. Vor allem jedoch seien Kunden in der Lage, fünf Fernsehkanäle zu streamen, die stets Neues über Leben und Wirken des kommunistischen Führers liefern und die regionale Presse vorlesen.

Nur Elite kann „Manbang“ empfangen

Obwohl für die Kim-Dynastie, zumindest verbal, nicht einmal der Himmel die Grenze ist, dürfte die Nutzerzahl von „Manbang“, wenigstens bis zum Sieg der Weltrevolution, deutlich hinter der des Vorbildes „Netflix“ zurückbleiben. In Nordkorea hat nur eine kleine Elite Zugang zum ebenfalls staatlich kontrollierten nationalen Intranet, noch weniger Menschen können das weltweite Internet nutzen. Experten gehen deshalb davon aus, das dass sich maximal wenige Tausend der etwa 25 Millionen Einwohner des Landes für Kims Streaming anmelden können.

So bizarr die Meldung über das nordkoreanische Streaming auch klingen mag, Medienbegeisterung hat im Herrscher-Haus Tradition. Dynastie-Gründer Kim Il-sung liebte Samurai- und Kriminalstoffe aus Japan, das Faible von Nachfolger und Sohn Kim Jong-il für US-amerikanisches sowie französisches Kino war legendär. Der aktuell herrschende Kim, ein Mittdreißiger, über dessen genaues Alter unterschiedliche Angaben kursieren, ist mutmaßlich in einem Schweizer Internat aufgewachsen. Allen technischen Neuerungen soll er, Berichten zufolge, extrem aufgeschlossen sein. Und während seine Untertanen in maximaler Isolierung von der Außenwelt leben, nennt der dickliche Regent alle möglichen technischen Spielereien sein Eigen, vom Smartphone über das Tablet bis zum Satelliten-Fernsehen. Anders als die hiesige Kanzlerin käme er niemals auf die Idee, das Internet als „Neuland“ zu bezeichnen.

Die Kims sind Kino-Experten

Man kann sich vorstellen, dass Genosse Kim den Kapitalisten von „Netflix“ gerne zeigen möchte, was eine mediale Harke ist. „Überholen ohne einzuholen“, ganz so wie es einst der starke Mann der DDR, Walter Ulbricht, formuliert hat. Aber mit welchen Inhalten? Schließlich verbietet es sich für einen orthodoxen Kommunismus, wie er in Nordkorea immer noch Staatsideologie ist, sich an dekadenter westlicher Filmproduktion zu bedienen. Spielen wir daher für einen Moment den fiktiven „Manbang“-Programmdirektor und überlegen, mit welchen heroischen Serienleistungen das nordkoreanische Volk den Streaming-Gipfel erklimmen könnte.

Die erfolgreichste Serie weltweit ist derzeit wohl „Game of Thrones“ (GoT), ein in einer Mittelalterwelt verorteter Machkampf diverser Herrscherclans. Markenzeichen der Produktion sind seine Grausamkeit und das ständige Ableben aller möglichen Hauptfiguren. Betrachtet man die Handlung genau, so liegt der Serienstoff für den künftigen „Manbang“-Blockbuster „Game of Kims“ regelrecht auf den Schlaglöcher übersäten nordkoreanischen Straßen. In Kims rotem Reich sind die Rivalitäten in Herrscherfamilie, Staatspartei und Militär ebenfalls Legende. Der jungenhafte Staats- und Parteichef soll sogar einen Onkel – im wahrsten Sinne des Wortes – zum Abschuss frei gegeben haben, der ihm eigentlich als persönlicher Berater diente. Und in Sachen Grausamkeit sollen nordkoreanische Haftlager und Gefängnisse sogar die Phantasien von GoT-Autor George R. R. Martin übertreffen.

„Game of Thrones“ auf koreanisch

Ein andere aktuelle Erfolgsstory ist „The Walking Dead“, ein Endzeitstoff, in dem ein unbekannter Virus beinahe die gesamte Menschheit zu Zombies mutieren lässt. Einige der letzten nicht Infizierten schaffen es, sich unter ihrem charismatischen Anführer Rick Grimes in einem ehemaligen Gefängnis zu verschanzen. Der Plot erscheint wie geschaffen, um nordkoreanische Serienfreaks zu unterhalten und sie gleichzeitig in der reinen Lehre zu unterweisen. So könnten die „Manbang“-Macher den Genossen Kim zu ihrem Rick Grimes hochstilisieren, der seine treuen Genossen im Staatsgefängnis Nordkorea mit Stacheldraht und stets wachsamen Grenztruppen vor dem bösen Rest der Welt zu schützen versucht: Den wahren Zombies, infiziert mit dem Kapitalismus-Virus.

Natürlich sind solche Serien aufwendig, ihre Produktion dürfte teuer sein. Vielleicht zu teuer für das nordkoreanische Budget. Also fahnden wir nach billigeren Stoffen, die trotzdem erfolgreich sind. Wobei wir beim „Tatort“ wären: Massenware, die häufig abgeschmackt und lange auserzählt wirkt – mit Schauspielern, die in ihrer Kunst oft von den Nachrichtensprechern aus Pyöngyangs Staatsfunk getoppt werden. Dennoch funktioniert die Serie. Selbst nach beinahe 40 Jahren hat sie hierzulande Traum-Einschaltquoten. Allerdings steht zu befürchten, dass die Drehbücher kaum einer kritischen Prüfung durch Meister Kim persönlich standhalten dürften. Weltverbesserische Dialoge, moralische Belehrungen sowie Handlungen, in denen Unternehmer vielfach die Bösen sind? „Das nimmt uns doch keiner ab, das hält doch sogar der letzte Landarbeiter in der nordöstlichen Provinz Hamgyŏng-pukto für Propaganda!“, könnte eine Reaktionen des erprobten Cineasten und Staatenlenkers lauten.

„Tatort“ zu langweilig für Machthaber

Und so setzt „Manbang“ vorerst weiter auf Bewährtes. Dokumentationen, Reden und Diskussionen von schöner, konstruktiver Einmütigkeit und mit volksaufklärerischem Anspruch. Das finden wir eher langweilig und ziehen uns als fiktive Berater zurück. Falls Kim dafür dennoch Unterstützung braucht: Beim deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sollte er schnell fündig werden.

 

 

Andreas Kern

Der Diplom-Volkswirt und Journalist arbeitet seit mehreren Jahren in verschiedenen Funktionen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Kern war unter anderem persönlicher Referent eines Ministers, Büroleiter des Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie stellvertretender Pressesprecher des Landtages. Er hat nach einer journalistischen Ausbildung bei einer Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet als Wirtschaftsredakteur gearbeitet . Aufgrund familiärer Beziehungen hat er Politik und Gesellschaft Lateinamerikas besonders im Blick. Kern reist gerne auf eigene Faust durch Südamerika, Großbritannien und Südosteuropa.

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