Vegan ist nicht der Koran

Ein Vater hat gegen eine Kommunalverwaltung geklagt, weil es in der Schulkantine seiner Tochter kein veganes Essen gab. Das Gericht widersprach: Schulküchen müssen nicht jedem Trend folgen. Und das ist auch gut so! Müsste ansonsten auch Steinzeit gerecht gekocht werden – oder entsprechend den Lehren des Fliegenden Spaghettimonsters oder von Diego Maradona?


Lange Zeit rümpfte man hierzulande über gewisse Rechtsstreitigkeiten in den USA die Nase. Lief eine Katze zufällig in die Mikrowelle und ertrug dann die Hitze nicht, zogen deren Besitzer mitunter ebenso gern vor Gericht, wie Kunden der allgegenwärtigen Kaffeeketten, die sich ungeschickterweise beim Verzehr ihres Heißgetränks verbrüht hatten. Eine strenge Interpretation von Produkthaftung machte es möglich, dass sich solche Kläger mitunter über ein schönes Sümmchen Schadenersatz erfreuen durften.

In einer Zeit, in der vegane Ernährung für manche Zeitgenossen die Rolle einer Ersatzreligion einzunehmen scheint, erhalten nun auch hiesige Gericht ganz neuen Zulauf. So verweigerte die 3. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts dem Vater einer Grundschülerin die Prozesskostenbeihilfe für eine Klage gegen eine Kommunalverwaltung in der Hauptstadt. Die geplante Klage habe keine Aussicht auf Erfolg, begründete das Gericht seine Entscheidung.

Kantinen müssen nicht jedem Trend folgen

Herr Papa wollte für seine 2007 geborene Tochter durchsetzen, dass ihre Ganztagsschule im Bezirk Köpenick mittags eine vegane Mahlzeit auftischen muss. Das Kind verweigere aus ethischen Gründen die Aufnahme tierischer Nahrung.

Was das Gericht in seiner Begründung mitteilte, klingt salomonisch: Demnach orientierte sich die betreffende Schule an den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die eine vegane Ernährung für Kinder und Jugendliche gerade nicht befürworte. Es bestehe auch keine rechtliche Verpflichtung, die gesamte Vielfalt verschiedener Ernährungsüberzeugungen wie etwa „Steinzeiternährung, Low Carb, Low Fat, Rohkost, Trennkost, Fruitarismus und Veganismus“ zu berücksichtigen, zählten die Richter in ihrer Urteilsbegründung auf. Im übrigen werde niemand gezwungen, Schulessen einzunehmen, das nicht individuellen Geschmacksneigungen oder Moralvorstellungen entspreche.

Verstoß gegen Gewissensfreiheit?

In der Tat hätte der Mann ja auch mehrere alternative Optionen: Beispielsweise dem Kind sein Wunschessen mitgeben, abends zu Hause kochen oder woanders etwas zukaufen. Wie lautet der Werbespruch eines Sportartikelherstellers: Just do it!

Der Berliner Vater indes spricht sogar von einem einen Verstoß gegen Gewissensfreiheit und Gleichbehandlungsgrundsatz, weil die Schulkost auf andere, religiös oder gesundheitlich begründete Essgewohnheiten Rücksicht nehme.

Eher Ideologie als Gesundheitsaspekt

Das Gesundheitsargument kann schnell abgehakt werden. Ein ärztliches Attest, das bescheinigt, dass das Kind fleisch- oder milchhaltige Nahrung nicht verträgt, würde die Position des Vaters massiv untermauern. Da es sich im konkreten Casus wohl um eine Frage der Ideologie und nicht der Medizin handeln dürfte, gibt es auch kein Attest.

An anderer Stelle habe ich bereits geschrieben, dass es zum Sinn veganer Ernährung von ärztlicher Seite mindestens zwei Meinungen gibt. Die Warnung, dass bei ausschließlich veganer Diät wichtige Stoffe und Vitamine nicht ausreichend aufgenommen werden, klingt zumindest nachvollziehbar. Auch die Option, fehlende Vitamine oder Spurenelemente mit Hilfe der Pharmaindustrie nachzujustieren, erscheint wenig konsequent. Wird doch sonst von gleicher Seite – wohl zu recht – angemahnt, natürlichen und regionalen Nahrungsmitteln den Vorzug vor chemischen oder sonst irgendwie künstlich hergestellten Produkten zu geben.

TV-Köchin nennt Veganismus “Mangelernährung”

„Es kann nicht sein, dass wir Nahrung propagieren, mit der uns nur zusätzliche Chemie vor Mangelernährung schützt“, kommentiert etwa TV-Köchin Sarah Wiener den Vegan-Hype. Die Verfechterin artgerechter Tierhaltung stört auch die Einstellung vieler Veganer: „So mancher baut sich da eine Parallelwelt auf”.

Als Beispiel führt sie etwa Fleischersatz aus Soja und Käse ohne Milch an, die industriell in hohem Maße behandelt sind. Unter anderem verweist sie auf den vor einiger Zeit gescholtenen Analogkäse aus Ersatzstoffen – der heute bei Veganern als gefragtes Produkt gilt. Mit dem “vegan”-Label versehen, koste der gelegentlich sogar mehr als frischer Käse aus regionaler und artgerechter Herstellung.

Vielmehr Christen und Muslime

Der andere Argumentationsstrang ist die Religion. Rund 900 000 Veganer gibt es bereits in Deutschland, schätzt der Vegetarierbund. Die Anzahl der Christen liegt laut Statistischem Bundesamt mit knapp 50 Millionen naturgemäß viel höher. Muslime gibt es immerhin mehr als 4 Millionen in Deutschland. Schon die reinen Zahlen verleihen diesen Bekenntnisgruppen eine stärkere Argumentationskraft als dem Veganismus.

Auch wenn der Veganismus tatsächlich oft quasi-religiöse Züge annimmt, eine Religion im rechtlichen Sinn ist er nicht. Vegan ist eben nicht der Koran. Zur Weltanschauungsgemeinschaft könnte es aber reichen. Geradeso wie für die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters (FSM), die hierzulande als eingetragener Verein firmiert.

Klagen auch die Pastafari?

Eigentlich ist die FSM-Bewegung an US-amerikanischen Universitäten als Satire auf fundamentalistische christliche Strömungen wie den Kreationismus entstanden, die die Bibel wörtlich nehmen und wissenschaftliche Axiome wie die Evolutionstheorie ablehnen. Inzwischen veranstalten FSM-Jünger, Pastafari genannt, aber rund um den Globus „Nudelmessen“. Neben den obligatorischen Nudeln zählt auch Bier, das von einem mythischen Biervulkan ausgeworfen worden sein soll, zu ihren bevorzugten Nahrungsmitteln.

Wäre ich nun Pastafari und hätte vom Berliner Vater gelesen, dann fühlte ich mich schon motiviert, mich für eine FSM-konforme Schulkost einsetzen. Ok, das mit dem Biervulkan könnte bei Minderjährigen sicherlich schwierig werden. Aber jeden Tag ein Nudelgericht, das sollte schon drin sein. Und in der Pastafari-Fastenzeit müsste notwendigerweise täglich die vorgeschriebene Instant-Nudelsuppe auf den Tisch.

Besser Küche à la Maradona!

Zwar klingt die FSM-Nudelkost immer noch verlockender als der Veganismus, richtig interessant würde für einen Südamerika- und Fußballfan aber eine neureligiöse Glaubensgemeinschaft, in deren Mittelpunkt Diego Armando Maradona steht: die so genannte Iglesia Maradoniana – La Mano de D10s (spanisch für Maradona-Kirche – die Hand Gottes).

Diese Spaßreligion hat eigene Feiertage, die sich an wichtigen Fußballspielen Maradonas orientieren sowie eine Heilige Schrift (Diegos Autobiografie). Von einem Speisekatechismus ist nichts bekannt. Wenn sich dieser aber an Maradonas Leibgerichten- und Getränken (Rindersteaks, süße Kekse mit gezuckerter Milchkonfitüre, Rotwein und Matetee) orientieren würde, klänge das ungleich verlockender als der vegane Schmalhans.

Älteste Frau der Welt ist Eier und Hackfleisch

Sollte sich doch irgendwann veganes Essen durchsetzen, man könnte fast auf die Idee kommen, sich der Maradona-Gemeinschaft anzuschließen, um in den für sich relevanten Kantinen täglich Diego-kompatible Rindersteaks einzuklagen. So lange die Gerichte jedoch die Kantinenkirche im Dorf lassen, begnügen wir uns damit, gelegentlich mittags zum Südamerikaimbiss zu gehen, um einige „Empanadas con Carne“, mit Fleisch gefüllte Teigtaschen, zu essen.

Nachtrag: Die 116-Jährige Emma Morano ist nicht nur der älteste Mensch der Welt, sondern auch der einzig lebende, der im 19. Jahrhundert geboren wurde. Vor kurzem verriet die Italienerin ihr Erfolgsgeheimnis: Ein Mediziner habe ihr einst geraten, wegen ihrer Blutarmut jeden Tag drei rohe Eier zu essen. Erst vor wenigen Jahren habe sie die Anzahl auf zwei reduziert. Dies mache insgesamt rund unglaubliche 109 000 Eier in den vergangenen 100 Jahren. Zusätzlich nehme die Dame aus dem Piemont täglich etwas Hackfleisch und Gemüsebrühe zu sich, eine Banane, selbstgebrannten Grappa zum Verdauen. Wäre es ihr als Veganerin auch so gut ergangen?

Andreas Kern

Der Diplom-Volkswirt und Journalist arbeitet seit mehreren Jahren in verschiedenen Funktionen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Kern war unter anderem persönlicher Referent eines Ministers, Büroleiter des Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie stellvertretender Pressesprecher des Landtages. Er hat nach einer journalistischen Ausbildung bei einer Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet als Wirtschaftsredakteur gearbeitet . Aufgrund familiärer Beziehungen hat er Politik und Gesellschaft Lateinamerikas besonders im Blick. Kern reist gerne auf eigene Faust durch Südamerika, Großbritannien und Südosteuropa.

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