Keine Gnade für Donna-Joe Mandysdottir

Die Isländer haben strenge Regeln zur Namensgebung. Erlaubt ist nur, was auf einer offiziellen Liste veröffentlicht ist. Das mag streng klingen, schützt aber vor latentem Chantalismus. Keine junge Frau läuft Gefahr, als Donna-Joe Mandysdottir durchs Leben gehen zu müssen.


Wenn man sich nicht nur in den sozialen Netzwerken des World Wide Web aufhält, sondern manchmal auch in denen des richtigen Lebens, kann man ab und an durchaus interessante Dinge erfahren. So berichtete ein Bekannter bei einer Geburtstagsfeier von einer Islandreise. Besonders überrascht war der Mann vom dortigen Namensgesetz.

Seit 1996 regeln 28 Artikel wie jede Isländerin und jeder Isländer heißen kann. So muss jeder Insulaner mindestens einen, maximal jedoch drei Vornamen haben. Alle müssen sich an die Nominativ-, Genitiv-, Dativ- und Akkusativendungen anpassen lassen. Außerdem gibt es ein  Komitee, dass die Namensgebung überprüft – und eingreift, wenn ein Name nicht den Richtlinien entspricht. Eine Liste mit Namen, die offiziell erlaubt sind, ist im Internet einsehbar.

Chantal und Cindy treffen Marvin und Maik

Dass die Namensgebung in Island ungefähr so haarklein reguliert ist, wie die richtige Nahrungsaufnahme in einem strenggläubig veganen Haushalt, erschien meinem Bekannten schon etwas eigenartig. Und auch ich, der jedes Verbot zunächst mindestens drei Mal nach seinem tieferen Sinn hinterfragt, wollte die Isländer spontan in die Schublade „eigenartiges Volk“ einordnen. Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto sympathischer wird mir diese Art nordischer Gesetzgebung.

Immerhin ist es in Island Sitte, dass der Vorname von Vater oder Mutter gleichzeitig der Nachname des Kindes wird. Der derzeit wohl populärste Isländer alive, Handball-Bundestrainer Dagur Sigurdsson, ist also Dagur, Sohn des Sigurd. Die beliebte Ex-Präsidentin Vigdis Finnbogadottir ist Vigdis, Tochter von Finnboga. Haben Vater oder Mutter, sagen wir mal: ungewöhnliche Namen, müssten diese später auch die Sprösslinge mitschleppen.

Nun kann ich mich daran erinnern, dass meine Frau, die längere Zeit an einer Volkshochschule unterrichtete, zahlreiche Mandys, Cindys, Nancys und Chantals zu ihren Schülerinnen zählte. Bei den Vertretern des männlichen Geschlechts muss es einige Connors, Marvins oder Maiks gegeben haben. Und es sollen Eltern existieren, die den Nachwuchs tatsächlich nach Figuren aus ihren Lieblingsfilmen „Herr der Ringe“ oder „Star Wars“ nennen. Zu gerne würde ich wissen, wieviele Legolasse, Arwens oder Anakins inzwischen die Geburtsregister füllen.

Chantalismus schmälert Karrierechancen

Zwischen amüsiert und geschockt war ich, als ich erfuhr, dass Schülerin Mandy ihre Tochter Donna-Joe genannt hat. Vor allem deshalb, weil man diesen Namen so gut mit D. J. abkürzen könne!

Donna-Joe Mandysdottir! Wie weise müssen die isländischen Volksvertreter gewesen sein, als sie unschuldige Wesen vor der Last einer solchen Namensgebung bewahrt haben! Auch einen Jaden-Gil Kevinsson gäbe es auf Island nicht. Ungeachtet der Gefahr, dass junge Menschen, die so oder ähnlich heißen, in Schule oder Kindergarten gehänselt werden können, besagen ernsthafte Studien, dass eine zum Chantalismus neigende Namenswahl sich negativ auf Berufschancen auswirken kann.

Wird Dagur hierzulande Modename?

Die Isländer – die Mandy, Cindy und Chantal selbstverständlich nicht auf ihrer Namensliste vermerkt haben und Nancy nur in einer entschärften islandisierten Form – schränken möglicherweise das Selbstbestimmungsrecht der Eltern ein. Aber sie schützen Kevin-Jason, Leslie-Ann und Shakira-Savannah, die selbst vielleicht lieber Tim, Anna oder Sophia heißen würden, vor Lästereien oder Diskriminierung.

Wenn hierzulande rechtsnationale Politiker eine Deutsch-Quote im Radio und Linksalternative den Veggie-Day fordern, sollte man das isländische Namensgesetz nicht gleich als Bevormundung abtun, sondern zumindest ein gewisses Grundverständnis für diese Variante des Nanny-Staates haben. Zumindest kann jeder erwachsene Mensch, der dies möchte, sich selbst seinen Verzicht auf englischsprachigen Pop oder fleischhaltige Kost organisieren. Aber wie wenig lebenswert wäre eine Welt, in der man ständig Heinz-Rudolf Kunze oder Pur hören und Tofu-Brätling sowie Auberginen-Auflauf essen müsste? Dann doch lieber auswandern nach Island zu Rindersteak, frischem Fisch und feinem Pop von „Of Monsters and Men“. Die Kinder kann man dann schon Dagur oder Vigdis nennen.

Allerdings: Die Chancen stehen nicht schlecht, dass Dagur nun auch hierzulande in Mode kommt.

Andreas Kern

Der Diplom-Volkswirt und Journalist arbeitet seit mehreren Jahren in verschiedenen Funktionen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Kern war unter anderem persönlicher Referent eines Ministers, Büroleiter des Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie stellvertretender Pressesprecher des Landtages. Er hat nach einer journalistischen Ausbildung bei einer Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet als Wirtschaftsredakteur gearbeitet . Aufgrund familiärer Beziehungen hat er Politik und Gesellschaft Lateinamerikas besonders im Blick. Kern reist gerne auf eigene Faust durch Südamerika, Großbritannien und Südosteuropa.

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