Die FAZ erfindet sich neu

Darüber neigt sich immer ein kluger Kopf. Mit einer neuen App erfindet die FAZ die Zeitung neu.


Vor ein paar Jahren hatte ich in einem Beitrag für die FAZ über die Zukunft der Zeitung geschrieben – nun hat die FAZ selbst diese Zukunft wahr gemacht, mit der neuen App F.A.Z. plus*.

Schon seit ein paar Jahren bietet die FAZ die Inhalte auch als e-Paper-App an, allerdings war das bisher nicht mehr als eine Zeitung im Tablet-Format mit Lesehilfen. Seit dieser Woche geht man aber gleich mehrere entscheidende Schritte weiter.

Zeitung ohne Seiten

In der App F.A.Z. plus wird die einzelne Zeitungsseite komplett aufgegeben, sowohl als Layoutprinzip, als auch bei der Strukturierung der Inhalte. Es wirkt dabei schon fast sentimental, dass der Einstieg in die Tagesausgabe noch immer „Seite 1“ heißt.

An die Stelle von Seiten und Büchern (so heißen diese Stapel gemeinsam gefalteter Papierseiten) sind die inhaltlichen Bereiche, die Ressorts getreten, die man als Menü-Übersicht oben findet. Das erinnert natürlich an die Online-Ausgabe.

Die App-Zeitung (es ist eigentlich keine Zeitungs-App, sondern eben eine Zeitung als App) verfügt über entscheidend mehr multimediale Inhalte: Fast jeder Artikel ist mit mindestens einem Bild in hoher Qualität versehen, und sei es nur das Portrait des Autors. Video-Sequenzen ergänzen die Text-Bild-Pakete.

Interaktivität und Vernetzung

Wo immer möglich und sinnvoll, ist die neue Zeitung interaktiv, das gilt bei der FAZ natürlich vor allem für die Börsendaten und das Fernsehprogramm. Keine eng gedruckten Datenspalten mehr, sondern Suchfunktionen und passende Klick-Hierarchien – so nutzt eine Zeitung die Möglichkeiten des Tablets.

Zusammengehörige Artikel sind verlinkt, wie es inzwischen in Online-Medien State of the Art ist, sodass ich mich als Leser zusammenhängend mit einem Thema beschäftigen kann. Das alles wird mit ansprechenden aber zurückhaltenden Animationen beim Verschieben und Scrollen präsentiert. Auch da hat sich jemand offenbar Gedanken über die Erwartungen der geneigten Zielgruppe gemacht.

Eine mutige Entscheidung war es, dass man von der App aus jeden, wirklich jeden Artikel in den sozialen Medien teilen oder per Mail verschicken kann. Über und unter jedem Text findet der Leser deutlich sichtbar die bekannten Symbole von Facebook und Twitter. D.h., über den zahlenden Abonnenten, der Inhalte teilt, kann prinzipiell jeder die FAZ-Inhalte lesen. Ich persönlich denke, dass dieser Schritt der FAZ unterm Strich mehr zahlende Abonnenten bringt, als dadurch verloren gehen.

Zeitung bleibt Zeitung

Auch wenn das Papier verschwindet, bleibt die Zeitung ein eigenständiges Medium (wie ich mal bei Telepolis schrieb), das zeigt diese App. Es gibt eine zusammenhängende Ausgabe, Zeitung bleibt ein Paket mit Redaktionsschluss und zugehörigen Qualitätssicherungsprozessen. Die App der FAZ ist dabei schon von Anfang an Abendzeitung: um 20:00 Uhr erscheint die Ausgabe des Folgetages.

Die FAZ wird ihr Logo ändern müssen: Der kluge Kopf steckt zukünftig nicht mehr hinter einem großen Bogen Papier, sondern er wird überm Tablet sichtbar. Ob es genügend kluge Köpfe gibt, die bereit sind, für dieses Plus an Qualität und Inhalt zu bezahlen? Ich wünsche es den mutigen modernen Zeitungsmachern.

*Ja, wirklich wieder mit Punkten!

Jörg Phil Friedrich

Der Philosoph und IT-Unternehmer Jörg Phil Friedrich schreibt und spricht über die Möglichkeiten und Grenzen des digitalen Denkens. Friedrich ist Diplom-Meteorologe und Master of Arts in Philosophie.

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